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Unsere Komponistinnen, Teil 6: Silvia Colasanti

Unsere Komponistinnen, Teil 6: Silvia Colasanti

Klassische Musik wurde über Jahrhunderte hinweg wurde klassische Musik hauptsächlich von Männern aufgeführt, auch der Anteil an weiblichen Komponisten ist gering. Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. In einer Artikelserie stellen wir die Komponistinnen unserer Verlagsgruppe vor. Dieses Mal: Silvia Colasanti.

In Ihrer Musik steht die Dramaturgie oft im Vordergrund. Würden Sie dieser Beobachtung zustimmen?


Ja, das stimmt. Die Dramaturgie ist ein wichtiges Element meiner Musik, das wurde schon oft festgestellt. Allgemein gesagt wird die musikalische Sprache unserer Zeit wird immer dichter und komplexer. Da ist es meiner Ansicht nach wichtig, formell klar und lebendig zu bleiben, wenn man eine Geschichte mit Musik erzählt. Einige meiner Werke zeigen das bereits im Titel: Cede pietati, dolor bezieht sich zum Beispiel auf die Figur der Medea. Die Musik vertont die „innere Dramaturgie“, sie zeigt Medeas Widersprüche und ihr Leid. Canto di Atropo für Violine und Orchester behandelt das Thema anhand einer anderen mythischen Figur: Atropos, eine der drei Moiren, die den Lebensfaden durchtrennt.

Bleiben wir bei der Dramaturgie. 2012 wurde Ihre erste Oper La metamorfosi beim Maggio Musicale Fiorentino in Florenz aufgeführt. Was können Sie uns darüber erzählen?

Bei La metamorfosi konnte ich zum ersten Mal eine lyrische Oper schreiben, mit all den Möglichkeiten und Herausforderungen, die diese Gattung bietet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es nicht üblich, dass Komponisten sich diesem Genre direkt angenähert haben. Ich wollte stattdessen zeigen, dass es sich beim Genre des Melodramas vorrangig um das Theater an sich dreht. Selbstverständlich sind die Inhalte abhängig von der Zeit, in der wir leben. Der Inhalt sollte sich nicht nur auf vergangene Ereignisse beziehen, sondern auch auf jene der aktuellen Zeit. Daher arbeite ich sehr gerne mit dem Regisseur Pier’Alli zusammen. Seine dramaturgische und szenische Arbeitsweise  passt perfekt zu meiner Musik. Dadurch kam ein in sich geschlossenes und einheitliches Gesamtwerk zustande.

Ihre Mini-Oper Il sole, di chi è? für fünf Schauspieler / Sänger und Ensemble (Libretto von Piumini) richtet sich an ein junges Publikum. Sie wurde mit großem Erfolg in vielen Orten Italiens gespielt. Komponieren Sie anders, wenn Sie ein Werk für ein junges, also eher unvoreingenommenes Publikum schreiben?

Ich liebe es, für ein junges Publikum zu schreiben. Das hat mich sicherlich beim Komponieren von Sole beeinflusst. Es ist sehr wichtig, dass ein Komponist über seine Rezipienten und die Zuhörer seiner Musik nachdenkt. Er sollte seine eigene Natur und Ideen nicht aufgeben, sie aber in einer klaren Sprache kommunizieren. Im Fall von Kindern heißt das nicht, ästhetisch simpel zu arbeiten. Im Gegenteil, vielleicht sind es gerade die Jüngsten, die der zeitgenössischen Musiksprache gegenüber offener sind. Sie sehen diese einfach als Sprache ihrer Zeit an.    

Sie haben einige Orchesterwerke wichtigen italienischen und ausländischen Solisten gewidmet (Massimo Quarta, David Geringas, Yuri Bashmet, Salvatore Accardo, Enrico Dindo, Enrico Bronzi). Hat die Persönlichkeit dieser Musiker Ihr Komponieren in irgendeiner Weise beeinflusst?

Ja, ohne Zweifel. Ich schreibe lieber für solche Interpreten als für die sogenannten „Spezialisten“ der zeitgenössischen Musik. Ein guter Musiker kann mit Stücken aus verschiedenen Epochen umgehen . Er bereichert sowohl die Kompositionals auch die Aufführung. Wenn ich komponiere, denke ich auch oft an die besonderen Eigenschaften der Interpreten. Das beeinflusst meine Arbeit ganz offensichtlich. Ich muss Lösungen finden, die gleichzeitig meinen kompositorischen Überzeugungen und den besonderen Fähigkeiten der Interpreten Rechnung tragen. Ansonsten würde ich das gewünschte Ergebnis nicht erreichen.

Ihre Werke werden oft in anderen Ländern aufgeführt. Beispiele hierfür sind Burning, das vom New European Ensemble in Auftrag gegeben und oft im Ausland gespielt wurde, oder das jüngst in China zur Aufführung gebrachte Rumbling Gears.

Ja, es kommt oft vor, dass meine Musik im Ausland gespielt wird. In Frankreich beispielsweise, wo ich in letzter Zeit öfters war, wurde mein Melodrama Oreo etwa 20 Mal durch das Paris Mozart Orchester aufgeführt, mit Claire Gibault und großartigen Künstlern wie Natalie Dessay; der Höhepunkt war ein wunderbares Konzert in der Philharmonie Paris. Im vergangenen Jahr habe ich zwei Aufträge von Festspielen in Bordeaux und Toulouse erhalten. Andere Sichtweisen als die eigene kennenzulernen ist immer eine Bereicherung. Auch wenn wir in einer globalisierten Welt leben, gibt es nach wie vor nicht nur eine persönliche, sondern auch eine nationale Identität. Bestimmte Traditionen und Erlebnisse sind, mehr oder weniger unbewusst, immer Teil von eines Komponisten

Wie sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Momentan arbeite ich an einem neuen Werk für Violine, Viola und Streichorchester. Massimo Quarta und Yuri Bashmet haben es gemeinsam bei mir in Auftrag gegeben. In der Vergangenheit habe ich für jeweils beide einzelne Werke geschrieben, aber jetzt wollten sie gemeinsam ein neues Stück von mir aufführen.