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Rolf Riehm zum Achtzigsten

Rolf Riehm zum Achtzigsten

Am 15. Juni 2017 feierte Rolf Riehm seinen Achtzigsten Geburtstag. Gleich zwei Monographien aus den letzten Jahren, die wir Ihnen im Folgenden gern vorstellen möchten, sind im Rahmen der „edition neue zeitschrift für musik“ seinem Schaffen und Wirken gewidmet.


Hans-Klaus Jungheinrich: „in anderen Räumen. Der Komponist Rolf Riehm“

Arbeit am Mythos – die Titelformulierung des bekanntesten Buches von Hans Blumenberg könnte auch reklamiert werden für maßgebliche Intentionen Rolf Riehms. Dieser Komponist wendete sich vor allem in seinen für die Bühne geeigneten Kompositionen zunehmend antiken Stoffen zu: den Ursprungsmythen um Zeus, Chronos und Kairós sowie dem „existenzialistischen“ Motiv der odysseeischen Lebensreise (letzteres auch in der Perspektive Franz Kafkas). Dass in zwei Großwerken aus ganz verschiedenen Lebensperioden (und mehreren kleineren) die Sirenen als lockend-verderbliche Urbilder von Weiblichkeit namhaft gemacht werden (Das Schweigen der Sirenen; Sirenen – Bilder des Begehrens und des Vernichtens), spricht von obsessiver Beharrlichkeit im Ausformen und Festhalten einer geistigen Eigensphäre. Zum blutigen Ernst großen mythischen Erzählens führte aber auch bereits Riehms frühe Beschäftigung mit Märchen-Inhalten (Machandelboom) in ihrer provozierend finsteren Ursprungsgestalt. Bei alldem könnte es erstaunen, dass Riehm, in katholischer Tradition aufgewachsen, in seinem Œuvre nicht die Gelegenheit zu „bekennerischer“ (also dezidiert geistlicher) Musik ergreift, sondern in gleichsam dekonstruktivistischer Tätigkeit Material auseinandernimmt, zermahlt, zerstäubt und zu essenziell Neuem, nicht als Dogma Fixierbarem kombiniert (übrigens schon immer und sozusagen avant la lettre, also bevor Dekonstruktivismus in Mode kam). So wurde Riehm, der mit den um 1968 virulenten Erscheinungen eines politischen und lebenskulturellen Aufbruchs stark sympathisierte (was sich auch in der Mitgliedschaft im „Sogenannten Linksradikalen Blasorchester“ niederschlug), alles andere als ein linker Fanatiker. Nähe und Distanz zu und spielerischer Umgang sowie deutliche Identifikation mit den jeweils aktuell Sinnstiftung beanspruchenden Phänomenen (auch mit der kompositorischen „Avantgarde“) lassen sich bei Riehm nicht trennen. Gleichwohl zeigt Riehms künstlerische Physiognomie nichts Proteushaftes, erweist sie sich eher als knorrig, eigensinnig.

Rolf Riehm, 1937 in Saarbrücken geboren, Oboist und Schulmusiker, Tonsatz- und Kompositionslehrer, verbrachte den größten Teil seines Lebens in Frankfurt am Main. Hier wurde er, als 1964 von ihm die relativ kurzlebige – nämlich 1970 schon wieder aufgelöste – „Frankfurter Vereinigung für Musik“ mitbegründet wurde, zum Mittelpunkt eines Kreises, der sich mit fast esoterischer Energie auf unkonventionelle Musikerfahrung kaprizierte, abseits vom „großen“ Musikbetrieb wie in Abstand zu Darmstädter Doktrinen. Der oftmals in der Rezeptionsgeschichte unterschätzte Franz Liszt wurde zu einem der Hausgötter dieses Zirkels und blieb auch für Riehm ein interessanter Bezugspunkt. Ungeachtet einer immer weiter ausstrahlenden Geltung behielt Rolf Riehm aber auch die besondere Haftung im Frankfurterisch-Regionalen, einer „Heimat“, die nicht als provinziell-engstirnig zu verstehen ist, sondern als ein kulturell weltoffenes Gelände.


Riehm Monographien



Hans-Klaus Jungheinrich (Hrsg.): in anderen Räumen. Der Komponist Rolf Riehm. Symposion, 16. September 2012 Alte Oper Frankfurt am Main, Mainz 2015 | Mehr

Marion Saxer (Hrsg.): Rolf Riehm. Texte, Mainz 2014 | Mehr




Komponistenprofil: Rolf Riehm


Photo: Stefan Forster