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Sarah Nemtsov:

Sarah Nemtsov: "Sacrifice"

Sarah Nemtsovs Musiktheaterwerk Sacrifice wurde am 05. März 2017 in Halle uraufgeführt. Regie führte Florian Lutz, es dirigierte Michael Wendeberg. Die Aufzeichnung der Uraufführung ist auf YouTube-Kanal der Bühnen Halle abrufbar.

URAUFFÜHRUNG VON SACRIFICE 



AUFFÜHRUNGEN

Oper Halle
5.3.2017 (UA)
7.3.2017
8.3.2017
11.3.2017
18.6.2017
22.6.2017
23.6.2017


PRESSESPIEGEL

nmz
26.04.2020
„Es geht in diesem Auftragswerk der Oper Halle um den Dschihad. Ein Thema, das hochpolitisch ist, aber ohne plakatives Appellieren aufgegriffen wird. „Sacrifice“ besteht in der ästhetischen Form und Überhöhung fast schon hermetisch auf seinem Kunst-Charakter. […] Freilich bleibt auch da der Text eher Nebensache. Es ist der entfesselte Klang- und Bilderrausch, der die Assoziationsräume öffnet.“

Lesen Sie die vollständige Rezension hier

DIE ZEIT
09.03.2017
„Diese »Oper« spricht über alles, was gerade Gegenwart ist: Krieg, Terror, Migration, Populismus… Starke, absolut uneitle Musik, deren Kunstcharakter man, selbst wenn sie Björk und Bach zitiert, nach einer Weile kaum mehr wahrnimmt.“

3sat
06.03.2017
„Ein vielschichtiges, tosendes Musiktheaterwerk. Die Oper spiegelt die brennenden Themen unserer Zeit und unsere Ängste.“

die deutsche bühne
06.03.2017
„Hier dominiert vor allem der Klangrausch, den Nemtsov entfesselt und der die Assoziationsräume öffnet in die brandaktuelle Geschichte… Ein Musiktheatererlebnis der Extraklasse“


URAUFFÜHRUNG VON SACRIFICE 



ÜBER DAS WERK

„May I be Sacrificed“ – Möge ich geopfert sein – so beginnt Dirk Lauckes Libretto zu Sarah Nemtsovs Oper, die im März 2017 in Halle ihre Uraufführung feiert. Die Zeilen sind einem afghanischen Gedicht entnommen, in dem die Schönheit, Größe und Würde des Heimatlands beschworen werden – bis in den Tod der Menschen, die für dieses Land leben. Das Gedicht wird den Taliban zugeschrieben.

In der Oper Sacrifice sind es jedoch keine weit entfernt lebenden Taliban, die solche Beschwörungen des eigenen Tods für eine höhere religiöse oder vaterländische Sache ausrufen. Es sind zwei Mädchen aus Sangerhausen in Sachsen-Anhalt, die sich 2014 mit 15 bzw. 18 Jahren mitten aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft heraus auf den Weg nach Syrien machen, um in den Dschihad zu ziehen. Ihre nur in Bruchstücken nachvollziehbare Geschichte, von der tatsächlich wochenlang im Tonfall der Bestürzung, Sorge, Scham und Ratlosigkeit in den Zeitungen zu lesen war, ist die reale Grundlage der neu komponierten Oper.

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Ihr fügt der Dramatiker Laucke ein Ensemble weiterer Figuren hinzu, deren Situation sich auf unterschiedliche Weise jeweils zwischen Flucht und Kampf, Widerstand und Selbstaufgabe befindet: Eine Familie nimmt im Sommer 2015 eine Gruppe Geflüchteter auf, der Mann und die Frau geraten in Streit darüber, ob Hilfe bis zur Selbstaufgabe gehen darf – und wo im Gegenteil die Verweigerung von Hilfe in nationalistische Ideologie umschlägt. Außerdem ist da noch ein junger Syrer, der in Istanbul auf sein Visum nach Deutschland wartet.

Es sind »keine realistischen Figuren, vielmehr Projektionsflächen«, bemerkt Sarah Nemtsov. Projektionsflächen für die Suche nach der Bedeutung des eigenen Lebens innerhalb widerstreitender Kräfte einer Gesellschaft. Der Weg in den Extremismus der beiden Mädchen, der den fast sicheren Weg in den eigenen Tod bedeutet, ist dessen Gegenstück. Aus der Sinnsuche wird die totale Selbstaufgabe. »Was bringt einen Menschen dazu – zunächst gedanklich, bis hin zur Tat? Wie, wann, wodurch wird (innerlich) die Grenze überschritten? Hätte es ein Zurück geben können?« Diese Fragen interessierten Nemtsov bereits in der Annäherung an den Stoff der Oper, als Florian Lutz und ich gemeinsam ihr und Laucke das Material als Grundlage einer möglichen Komposition das erste Mal vorstellten.

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Sacrifice ist ein Werk, das in der Gegenwart spielt und jüngst zurückliegende Ereignisse bearbeitet. Wie kaum ein anderes Werk der Musiktheaterliteratur reagiert diese Oper auf unsere Gegenwart. Oper kann und muss sich der Realität zuwenden, wenn Radikalisierung und Ausgrenzung eine Gesellschaft auseinander treiben. Doch wer Sacrifice hört und sieht, versteht sofort, dass es hier dennoch um mehr geht als eine dokumentarische Aufarbeitung realer Geschehnisse.

Text: Michael v. zur Mühlen (Auszug). Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Oper Halle.


Photos: Falk Wenzel