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Uraufführung von Odeh-Tamimis Philoktet

Uraufführung von Odeh-Tamimis Philoktet

Das Stuttgarter ECLAT-Festival war in seiner 2023er Ausgabe mehr denn je ein Festival der Eigen- und Koproduktionen, gemeinsam gestaltet mit Künstler*innen, deren Ideen sich frei von vorgegebenen Themen oder gar Ideologien entfalten können. Eine davon war Samir Odeh-Tamimis vielbeachtete Uraufführung von Philoktet, einem Kompositionsauftrag von Musik der Jahrhunderte, finanziert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung, geschrieben für die neuen Vocalsolisten Stuttgart und das Zafraan Ensemble. In Philoktet gibt es keine Hierarchie zwischen Text, Musik und Bühne. Das Werk mit einem Libretto von Claudia Pérez Iñesta nach Sophocles, Heiner Müller and André Gide ist ein Ganzes, alles ist gleich wichtig. So scheint es mehr als zwingend, dass sich Samir Odeh-Tamimi, der sich neben seiner kompositorsichen Tätigkeit seit vielen Jahren auch als Maler und Bildhauer betätigt, zum ersten Mal sowohl für Regie, Bühnenbild und die Musik verantwortlich zeichnet.

Über Philoktet

Parallel zu seinen musikalischen Vorüberlegungen schuf Samir Odeh-Tamimi auch eine Reihe von Kreidezeichnungen, Radierungen und Steinskulpturen, die den Ausgangspunkt für das szenografische Konzept bilden.

picture of Philoktet by Samir Odeh-Tamimi

Die Instrumentalisten sind Alter Egos von Philoktet, jeder auf seine Weise. Einige scheinen gefangen zu sein und den Ausgang nicht zu finden, andere stellen sich existenzielle Fragen. Eine besondere Rolle spielt die Kontrabassklarinette. Das Instrument wirkt wie ein Anhängsel des Instrumentalisten, wie ein großes, unbewegliches Bein, schwer und steif, aber szenisch sehr präsent. Die Semantik der Bewegung ist in diesem Werk von großer Bedeutung.

Das zentrale Element von Philoktet ist die Sprache als Ausdruck verschiedener innerer und äußerer menschlicher Zustände. Odeh-Tamimi stellt den griechischen, französischen und deutschen Sprachen der zugrundeliegenden Dramen auch eine Fantasiesprache gegenüber, welche sich an melodischen und rhythmischen Elementen der alten semitischen Sprachen bedient.

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picture of Philoktet by Samir Odeh-Tamimi

Inhalt

Philoktet, ein angesehener Krieger im Gefolge von Odysseus, wird aufgrund einer Verletzung zu einem Störfaktor im Heer, welches sich auf dem Weg zur Eroberung von Troja befindet. Seine Kameraden lassen ihn auf der einsamen Insel Lemnos zurück. Nach zehn erfolglosen Jahren im Kampf um Troja erinnern sich die griechischen Krieger wieder an Philoktet und seine von Herakles geerbte "Wunderwaffe".

picture of Philoktet by Samir Odeh-Tamimi

Philoktet, der durch das Verlassenwerden tief verletzt wurde, hatte jedoch geschworen, nie wieder für die Griechen zu kämpfen. Die Krieger Odysseus und Neoptolemos erreichen Lemnos und wollen Philoktet, der in Elend und Isolation auf der Insel lebt, noch einmal für den Krieg gegen Troja gewinnen. Sie sind vor allem an seiner Wunderwaffe interessiert. Odysseus' listige Strategie geht auf: Durch eine Lüge gewinnt Neoptolemos das Vertrauen von Philoktet.

Ahnungslos lädt Philoktet Neoptolemos in seine Höhle ein und gibt ihm seine Waffe. Philoktets blindes Vertrauen weckt Neoptolemos' Zweifel an dem geplanten Verrat. Er widersteht dem Drängen des Chors, mit dem Bogen zu fliehen, und enthüllt Philoktet den geplanten Betrug. Odysseus erscheint und verlangt die Waffe, während er den tief enttäuschten und verbitterten Philoktet zurücklässt.

picture of Philoktet by Samir Odeh-Tamimi



Fotos: Martin Sigmund