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Haas: UA mit Alsop, Porträts in München und Grafenegg

Haas: UA mit Alsop, Porträts in München und Grafenegg

Der österreichische, in den USA lebende Komponist Georg Friedrich Haas, der zu den renommiertesten seiner Generation zählt, sorgt in diesem Sommer nicht nur mit dem ihm gewidmeten Ja, Mai-Festival der Bayerischen Staatsoper für Aufsehen, sondern auch mit einem neuen Orchesterwerk, das Marin Alsop in Wien aus der Taufe hob. Beim österreichischen Grafenegg Festival wird Haas als Composer in Residence schließlich mit einer spektakulären Outdooraktion das klassische Konzertformat sprengen.

Uraufführung von ungefähr ganz genau

In seinem neuen Orchesterwerk beschäftigt sich Georg Friedrich Haas Im Auftrag des Wiener Musikverein mit einer Konferenz, die 1885 vom Musikverein organisiert wurde, um einen Kammerton festzulegen. Dafür verglichen die Teilnehmer die Stimmgabeln, die entsprechend des Stimmtons ihres Orchesters geschliffen waren. Die Uraufführung erfolgt durch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Marin Alsop.

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Haas im Gespräch mit Marin Alsop

Haas über ungefähr ganz genau

„Diese Musik ist so etwas wie ein Ritual der Freiheit. Freiheit bedeutet hier Verantwortung: Nicht einfach „falsch“ zu intonieren, sondern die Abweichung zu den anderen Instrumenten spüren, die Spannungen zwischen den Tonhöhen zu fühlen, in der Interpretation bewusst die Vibrationen zu optimieren, die dabei entstehen. Nicht einfach rhythmisch ungenau irgendwann zu spielen, sondern das Metrum so zu wählen, dass man präzise jenen Moment finden kann, zu dem der gewünschte Klang am besten und am sichersten realisiert wird. Und zu genießen, wie das Zusammentun mit vielen anderen Menschen (die alle in dieser Weise musizieren) einen organischen Klangkörper bewirkt, der sich jedes Mal im Detail anders aufbaut - und dennoch im Prinzip immer der selbe ist.“


Rezension

"Der Zustand angespannter Ruhe wird immer wieder (und bisweilen dynamisch) durchbrochen; es treten tonale Reminiszenzen auf, auch markante kollektive Glissandi. [...] Das Werk ist vielschichtig im Ausdruck: Durch orchestrale Crescendi und Decrescendi entsteht punktuell der Eindruck von Annäherung und Entfernung, Verdichtung und Entspannung. Es ist ein farbenreich schwebendes Energiefeld entstanden, das Dirigentin Marin Alsop konzis betreut [...]."
Der Standard, 06.06.2022


Partitur von ungefähr ganz genau


Werkinformationen ansehen


Haas-Fokus in München

Serge Dorny, seit dieser Spielzeit Intendant der Bayerischen Staatsoper, hat das Ja, Mai-Festival des Münchener Hauses neu aufgelegt. In der ersten Ausgabe unter neuer Leitung stand u.a. Georg Friedrich Haas im Mittelpunkt des Festivals, dessen Musiktheaterwerke BLUTHAUS und THOMAS sowie sein gänzlich im Dunkeln gespieltes Instrumentalwerk SOLSTICES in von Publikum und Presse gefeierten Veranstaltungen präsentiert wurden. Daneben konnten die Festivalbesucher den Komponisten in einem Gesprächskonzert persönlich erleben sowie seine beiden Filme The Artist & The Pervert und Hyena im historischen Theatiner-Kino genießen.



Bluthaus, Thomas und Solstices in der Presse

"Die Musik von Georg Friedrich Haas kann süchtig machen, sie macht es in München. "Koma" ist auf 2024 verschoben. Wie um alles in der Welt sollen die Münchner diese vermutlich ziemlich Haas-lose Dürreperiode durchhalten?"
Süddeutsche Zeitung

"Dieses Musiktheater [Thomas] rührt an Grundfragen der Existenz, wie es nur wenigen Stücken in der Gegenwart gelingt."
NZZ, 26.05.2022


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Thomas an der Bayerischen Staatsoper


"Die mikrotonalen Melodiebögen der Oper [Thomas] muten ohnehin öfter wie ein aufs dichteste heruntergekochtes Konzentrat hochromantischer Arien an, in diesem Duett kommt das zum Höhepunkt, hier schreibt Haas in der engen Parallelführung über entrückende Obertonharmonien seinen ganz eigenen Puccini."
VAN-Magazin, 25.05.2022


"Die dramatische Innenwelt [in Bluthaus] hat Haas mit den ihm eigenen Mitteln gespenstisch ausgeleuchtet. Die Musik gliedert den dramatischen Verlauf großflächig, die beweglichen Spektralklänge, Mikrotoncluster und schlangenförmig sich dahinziehenden Melodien schaffen eine Atmosphäre permanenter Anspannung. […] Sprechrollen […] und Gesangsrollen greifen virtuos ineinander, und für ein Highlight sorgen die drei Solisten des Tölzer Knabenchors in brillant komponierten Terzetten. Ein Höhepunkt, der nicht nur Darsteller und Regie, sondern auch das Kammerorchester unter Titus Engel zu einer sportlichen Spitzenleistung herausforderte. Schon das allein wäre ein Grund für den starken Schlussbeifall gewesen. Er galt ausnahmslos allen Beteiligten, den Autoren inklusive."
FAZ, 25.05.2022

"Musikalisch war die Aufführung [Solstices] dennoch von irrsinnigem Niveau. Man möchte lieber gar nicht nachdenken, was für ein Kraftakt es sein muss, dieses aufwendige Stück zunächst überhaupt – und dann auch mit so einer gestalterischen Souveränität auf die Bühne zu bringen."
VAN-Magazin, 25.05.2022




Composer in Residence in Grafenegg

Beim Grafenegg Festival ist es Brauch, dass jeder Composer in Residence einen Baum seiner Wahl im historischen Landschaftsgarten von Grafenegg pflanzen darf – Georg Friedrich Haas wählte für 2022 die hartholzige und heilbringende Kornelkirsche. Für Grafenegg entsteht eine rahmensprengende Intervention mit fünf Blaskapellen, die sich durch den Park bewegen.

„Sie spielen im Park verteilt, treffen sich in Gruppen, trennen sich wieder. Sie marschieren unscharf in Zeitlupe. Oder in wechselnden schrägen Taktarten. Oder gar nicht. Jeder Mensch im Publikum wird das Stück anders hören - je nachdem, wo man gerade steht oder wohin man geht.“
Georg Friedrich Haas

In der spektakulären Open-Air-Kulisse des Grafenegger Wolkenturms erklingt außerdem Haas‘ zweites Violinkonzert, gespielt von der Widmungsträgerin Miranda Cuckson und dem Tonkünstler-Orchester unter der Leitung von Baldur Brönnimann. Beim INK STILL WET-Abschlusskonzert präsentieren Haas und Brönnimann schließlich die Teilnehmenden des Composer-Conductor-Workshops, denen der Komponist seit März 2022 als Coach und Workshopleiter zur Seite steht.







Photos: Dieter Nagl für Musikverein (ungefähr ganz genau), W. Hoesl (Thomas)