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Georg Friedrich Haas emanzipiert sich von seiner Vergangenheit als Nazi

Georg Friedrich Haas emanzipiert sich von seiner Vergangenheit als Nazi

Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas spricht in einem heute in der Wochenzeitung DIE ZEIT veröffentlichten Interview erstmals über sein Aufwachsen in einem nationalsozialistischen Umfeld. Vor allem sein Großvater Fritz Haas, ein bekannter Architekt, war ein überzeugter Nationalsozialist. Georg Friedrich Haas wurde in diesem Sinne erzogen und hat selbst bis zu seinem 21. Lebensjahr die nationalsozialistische Ideologie vertreten. In dem Gespräch mit der Journalistin Cordula Reyer erläutert er, wie er sich von seiner Familie und seinen politischen Ansichten emanzipieren konnte.

Diese Vergangenheit hat sein künstlerisches Schaffen stark beeinflusst. Es gäbe, so Georg Friedrich Haas, zwei sehr konkrete Gründe für die Dunkelheit seiner Musik: „Der erste Grund wird seit meinem Outing Anfang des Jahres relativ häufig diskutiert: Ich habe eine sadomasochistische sexuelle Neigung, die ich 40 Jahre lang entschieden und vorsätzlich bekämpft habe. Die zweite, noch gewichtigere Motivationsquelle meiner Musik sind die massiven Schuldgefühle, die ich aufgrund meiner Familie empfinde.“

Georg Friedrich Haas schildert in dem Gespräch seine von Lieblosigkeit und Gewalt geprägte Kindheit: „Ich dachte, es ist normal, wenn man drei Mal am Tag verprügelt wird, und es ist normal, wenn man am Tisch zu schweigen hat.“ Auch das Verdrängen der Gefühle war ein Teil seiner Erziehung. Als Resultat dessen zögerte er als Komponist lange Zeit davor, in seiner Musik Gefühle zu zeigen. „Das ist eine meiner ganz tiefen Überzeugungen, dass der Nazismus nur deswegen möglich war, weil die Menschen, die Nazis waren, ihr Mitgefühl so massiv unterdrückt haben. Einer der Gründe warum ich es wage, als Komponist so emotional zu sein, sind genau diese Überlegungen.“ In dem Gespräch beschreibt Georg Friedrich Haas drei Erfahrungen, die ihn „zu einem neuen Menschen gemacht haben“. Dazu zählt auch die Musik von John Cage. „Wenn man diese Welt betritt, die Welt der non intentional music, die zulässt und nicht einengt, die alles umarmt, was klingt, dann lässt sich das nicht mit den reaktionären Anschauungen meines Elternhauses vereinen.“

Georg Friedrich Haas, geboren 1953 in Graz, zählt zu den bedeutendsten Komponisten der Gegenwart. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Große Österreichische Staatspreis. Kompositionsaufträge erhielt er u. a. von den Berliner Philharmonikern, dem Gewandhausorchester, dem Cleveland Orchestra und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Seine neueste Komposition, ein Konzert für Posaune und Orchester, wird bei den Donaueschinger Musiktagen 2016 am 16. Oktober 2016 uraufgeführt. Georg Friedrich Haas lebt in New York, wo er seit 2013 eine Professur für Komposition an der Columbia University innehat. Er unterrichtet zudem als Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz.