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La Scala zeigt 1. Version von Madama Butterfly

La Scala zeigt 1. Version von Madama Butterfly

Nach der desaströsen Uraufführung von Madama Butterfly am 17. Februar 1904 an der Scala nahm Puccini substantielle Revisionen vor. Die revidierte Fassung wurde in Brescia drei Monate später, am 28. Mai, zur Aufführung gebracht – und wurde ein großer Erfolg. Obwohl Puccini weiter an der Partitur arbeitete, erreichte er nie das, was man eine endgültige Fassung nennen könnte. In einem Brief an Giulio Ricordi, äußerte er die Sorge, »seine« Madama Butterfly nie so zu sehen, wie er sie ursprünglich komponiert hatte.

1981 erhielt der Musikwissenschaftler Julian Smith von Ricordi den Auftrag, die Teile von Madama Butterfly zu rekonstruieren, die Puccini »amputiert« hatte. Die Uraufführung dieser Fassung fand Ende 1982 im Teatro La Fenice in Venedig statt. Mehr in diesem Interview mit Julian Smith.

Mit welchen Problemen Sie sich konfrontiert?

Das Autograph der Partitur befindet sich im Ricordi-Archiv – und das war zusammen mit der ersten gedruckten Ausgabe des Klavierauszugs meine Hauptquelle. Allerdings enthält das Autograph ebenfalls die Änderungen, die Puccini für die Aufführungen in Brescia machte. Es gibt einige komplett neue Seiten und zudem Hinweise auf Striche und auf Umgestaltungen. An einigen Stellen wurden die Originalseiten einfach überklebt. Die Originalversion versuchte ich natürlich anhand des ersten existierenden Klavierauszugs herauszudestillieren. Nur ein paar Takte, direkt nach dem Summchor (coro a bocca chiusa), fehlten im Autograph völlig – diese musste ich orchestrieren.

Auf welchem Material basiert Ihre Rekonstruktion?

Die erste gedruckte Partitur erschien nicht vor 1907, nachdem sich die Pariser Fassung  etabliert hatte. All die Änderungen und Striche, die Puccini in der Zeitspanne von knapp drei Jahren vorgenommen hatten, mussten rekonstruiert werden. Das machte es erforderlich, über 1000 Takte der Partitur zu kopieren. Viele Abschnitte konnten nur schwer entziffert werden, denn Puccinis Handschrift ist besonders schwer zu lesen.

Welche Striche mussten Sie rekonstruieren? Wie unterscheidet sich das Original von der revidierten Fassung?

Alle Unterschiede aufzulisten, würde  zu lang dauern. Aber einer der wichtigsten Unterschiede zwischen den Fassungen für Mailand und Brescia war die Eingangsmusik der Butterfly, die im Liebesduett des Finales des 1. Aktes wiederverwendet wurde. Genau hierfür hatte Puccini versehentlich eine Phrase verwendet, die ein paar Takten des Quartetts aus dem 3. Akt von La bohème sehr ähnlich war. Das Publikum der Uraufführung und die Kritiker hatten das bemerkt, Puccini musste das also ändern.

Außerdem gab es eine kurze Arie für den beschwipsten Onkel Yakuside– die er nach der Uraufführung strich. Am Ende des ersten Teils des 2. Akts machte er einige Striche, und er verlängerte das Ende des Summchors vor dem Intermezzo, damit der Vorhang heruntergelassen werden konnte. In der ersten Aufführung blieb der Vorhang aber oben, weshalb der 2. Akt – bei dem Butterfly fast durchgehend auf der Bühne ist – ohne Pause fast 80 Minuten durchlief. In der Originalversion dauert der 1. Akt um die 55 Minuten.

Sie haben einmal geschrieben: »Die Original-Butterfly war eine gewagte Oper, unkonventionell in ihrer Struktur und für die damalige Zeit schonungslos in ihrer kontroversen moralischen und sozialen Botschaft.« Inwiefern?

Wie ich bereits sagte, waren beide Akte im Original ungewöhnliich lang für die italienische Oper dieser Zeit. (Erinnern Sie sich: Verdi war der Meinung, der 1. Akt von Otello sei mit 42 Minuten zu lang!)

Doch ein anderer wichtiger Unterschied der beiden Versionen liegt im Charakter von Pinkerton und – in geringerem Ausmaß – Kate. In der Originalversion ist Pinkerton grob und herablassend zu den Japanern. Er beleidigt Butterflys Diener, er macht sich über die japanischen Köstlichkeiten, die den Gästen auf der Hochzeit serviert werden, lustig und legt ein grundsätzlich flegelhaftes Benehmen an den Tag. Kate ist darauf fokussiert, das Kind anzunehmen. In der ersten Version verkörpern Mr. und Mrs. Pinkerton nicht gerade traditionelle amerikanische Werte, aber ihre Charaktere wurden durch die Änderungen für die Vorstellungen in Paris 1906 »weichgespült«.