Bärbel Mittmann-Busch, Director Licensing and Contracts, ist die "Grande Dame" des Großen Rechts und der Lizenzanfragen für Bühnenwerke bei Ricordi Berlin. Ihr erster Arbeitstag beim Ricordi-Verlag, der damals noch zu Casa Ricordi Mailand gehörte und in München residierte, war der 1. November 1989. Seitdem hat sich viel verändert, nicht nur aufgrund des Eigentümerwechsels erst zu BMG, dann zu Universal Music Publishing und des Umzugs von München nach Berlin 2013, sondern grundlegend vieles, was die Arbeitsbedingungen und technischen Möglichkeiten betrifft: Früher gab es noch einen ICE-Kurier, dem man eilige Änderungen in Form von Überklebungen auf Papier in der Partitur zum Aufführungsort übergab. Heute ist alles nur einen Mausklick "entfernt" und schon sind im Notfall kurzfristige Änderungen bei dem Musiker oder Dirigenten, der das betreffende Werk am selben Abend zur Uraufführung bringt. Was sich bei Bärbel Mittmann-Busch über Jahrzehnte allerdings nicht verändert hat, sind die Liebe zum Live-Erlebnis, sei es im Konzert oder in der Oper, der Respekt gegenüber den Komponisten und deren künstlerischer Arbeit sowie gleichzeitig Verständnis gegenüber den Theatern, die ja oft am Existenzminimum entlangschrammen und deren speziellen Bedürfnissen und Belangen.
Der Mitarbeiter eines Rundfunksenders hat einmal zu dir gesagt: "Am Telefon sind Sie immer so nett und wenn es dann um die Verträge geht, sind sie eine knallharte Verhandlungspartnerin." Kannst du kurz beschreiben, was für Verträge du verhandelst, worum es da geht und was dir dabei besonders wichtig ist?
Bärbel Mittmann-Busch: Es gibt zwar Rahmenvereinbarungen und Leitlinien für fast alle Lizenzierungsbereiche zwischen Verlegern und Partnern auf Seiten der Bühnen oder Rundfunkanstalten, aber sie liefern auch einen Verhandlungsspielraum und es gibt Sondersituationen, auf die wir selbstverständlich einzugehen versuchen. Wir wollen Aufführungen ermöglichen und nicht verhindern, und wir wollen allen gerecht werden, unseren Komponistinnen und Komponisten genauso wie den einzelnen Theatern.
Was bedeutet für dich Urheberrechtsschutz?
In erster Linie Wertschätzung für das Schaffen unserer Komponistinnen und Komponisten. Der Schutz geistigen Eigentums gehört genauso dazu wie der respektvolle Umgang mit den entstandenen Werken. Schließlich tragen wir auch dazu bei, den Lebensunterhalt für unsere Komponistinnen und Komponisten zu sichern, durch Einkünfte von Verwertungsgesellschaften, aus Leihgebühren und Tantiemen, mit denen wir wiederum die Finanzierung von neuen Werken der zeitgenössischen Musik sicherstellen und gewährleisten können.
Was geschieht bei Anfragen von Opernhäusern und/oder von Regisseuren, die ein noch geschütztes Werk gegen den Strich bürsten, mit einem anderen Werk verschränken oder Umstellungen, die den Originalcharakter verändern, vornehmen wollen?
Zunächst einmal bin ich froh, wenn mich solche Anfragen überhaupt erreichen und wir nicht erst im Nachhinein entdecken, dass ungenehmigte Änderungen an einem geschützten Werk vorgenommen wurden. Es ist tatsächlich nicht jedem Kunstschaffenden klar, dass jegliche Eingriffe in Originalwerke der Genehmigung bedürfen und unter das Urheberpersönlichkeitsrecht fallen. So sehr ich vielleicht von einigen dieser Ideen fasziniert bin, zwingt mich das Urheberrechtsgesetz dazu, die Genehmigung der Autoren bzw. deren Rechtsnachfolger einzuholen. Z. B. dann, wenn "Änderungen bzw. Bearbeitungen, durch die der künstlerische Gehalt der vertragsgegenständlichen Werke wesentlich berührt wird", erfolgen sollen.
Gibt es da keine einheitlichen Regelungen?
Jeder Fall bedarf der individuellen Genehmigung. Ich benötige detaillierte Angaben zu den beabsichtigten Änderungen, zur Produktion, zu den Künstler*innen/Regisseur*innen/Choreograf*innen, zum Aufführungsort etc., die ich – je nach Zuständigkeit – an unsere Schwesterverlage Ricordi Mailand, Durand-Salabert-Eschig Paris oder EMB Budapest weiterleite. Nachdem der Originalverlag sich mit dem Komponisten oder dessen Rechtsnachfolgern ins Benehmen gesetzt hat, erhalte ich die Antwort, die mal positiv, mal negativ ausfallen kann – und die ich dann überbringen darf oder muss.
Das klingt eher so, als müsste man dafür ein gehöriges Stück Zeit einplanen?
Bis ich eine Antwort erhalte, vergehen oft Monate, weil manchmal mehrere Erben zustimmen müssen, die über die ganze Welt verstreut leben. Erschwerend kann hinzukommen, dass verschiedene Länder auch verschiedenen Copyright-Gesetzen und -Dauern unterliegen, die den Genehmigungsprozess zusätzlich in die Länge ziehen können. Und weil geschützte Werke im Internet auch immer häufiger ungeschützt verbreitet werden, muss ich oft auch eine Vereinbarung über Geoblocking treffen. Natürlich überbringe ich am Ende lieber freudige als schlechte Nachrichten! Einer dieser langwierigen Anfrageprozesse, der dann leider negativ endete, führte dazu, dass ein Münchner Komponist angesichts meines unermüdlichen, wenn auch vergeblichen Einsatzes für das Projekt eine liebevoll-augenzwinkernd gemeinte „Kammeroper im Büro“ über dieses vermeintlich bürokratische Prozedere mit mir als Hauptfigur verfasst hat. Sie trug den Titel: „Und wenn wir dann soweit sind, können wir anfangen.“
Du bist verantwortlich für die Aufführungsverträge im Großen Recht mit den Theatern und Opernhäusern sowie für Senderechtsverträge mit Fernsehen und Rundfunk, außerdem für die Autorenverträge und die Lizenzanfragen, also wenn z. B. Komponisten einen noch geschützten Text vertonen oder andere Kompositionen zitieren oder bearbeiten wollen. Wie sehr bist du mit der Entstehungsgeschichte einzelner Werke verbunden?
Viele Opern-Sujets haben mich zum Lesen der literarischen Vorlage angeregt; z. B. begann ich mich etwa durch Reinhard Febels Oper "Besuchszeit" sogar für Science-Fiction zu interessieren. In wenigen Fällen war es sehr kompliziert, die Vertonungsrechte zu erhalten. Es kam leider auch vor, dass vom Literaturverlag oder dessen Autor*innen oder Rechtsnachfolger*innen eine Vertonung abgelehnt wurde und dann mussten sich unsere Komponistinnen und Komponisten wieder auf Stoffsuche begeben. Natürlich gibt es auch Erfolgsgeschichten: In jüngster Zeit war ich sehr glücklich darüber, dass es uns nach langen Verhandlungen gelungen war, die Vertonungsrechte für "Secondhand-Zeit", einem Buch der Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, zu bekommen und das von Sergej Newski komponierte Werk an der Oper Stuttgart zur Uraufführung gebracht werden konnte!
Ab April trittst du etwas kürzer und du wirst bei den Lizenz- und Autorenverträgen von einer neuen Kollegin entlastet. Aus heutiger Sicht: Würdest du noch einmal die Entscheidung treffen, in den Verlag zu gehen, oder sogar einen Umzug nach Berlin mitmachen, der natürlich auch einen großen privaten Einschnitt bedeutet hat?
Im Rückblick könnte ich mir kein spannenderes Aufgabenfeld vorstellen. Der Umzug nach Berlin war für mich einerseits höchst spannend, stellte andererseits aber auch eine schier unlösbare Härte dar, da meine Eltern pflegebedürftig waren. Ich konnte mich in Berlin dennoch relativ schnell gut einleben und kann sagen, dass ich inzwischen das kulturelle Überangebot in Berlin nicht mehr missen möchte.
Das Gespräch führte Daniela Brendel, Foto von Jascha Zube