Ultraschall Berlin und ECLAT Festival Stuttgart trotzen dem Lockdown und bringen ihre Konzerte ins Radio und als Livestream – darunter Uraufführungen von Sergej Newski, Samir Odeh-Tamimi und Enno Poppe.
Ultraschall Berlin präsentiert die Uraufführung des Vokalwerks
No air here durch das Solistenensemble Phoenix16 unter der Leitung von Timo Kreuser im Deutschlandfunk Kultur und rbb Kultur. Sehr eindrücklich stellt der russische Komponist Sergej Newski Texte von beatmeten Patienten den Gedichten des ukrainischen Dichters Igor Pomerantsev zur Covid-Erkrankung seines Sohnes gegenüber.
Beim ECLAT Festival in Stuttgart legt Enno Poppe dem SWR Vokalensemble unter der Leitung von Bas Wiegers die assoziativen Worte eines barocken Mystikers in den Mund und lässt die Sängerinnen und Sänger um die unterschiedlichen Bedeutungen in
Der Wechsel menschlicher Sachen ringen.
In
Vros für die die Neuen Vocalsolisten greift Samir Odeh-Tamimi auf eine expressive Fantasiesprache zurück und erzählt von einem Menschen in tiefster Isolation.
Nach den Gedichten von Igor Pomerantsev
und dokumentarischem Material
3S.3A.3T.3B
Dauer: 11 Min.
UA: 21.01.2021, Ultraschall Berlin
Kompositionsauftrag des Ensemble PHØENIX16, ermöglicht durch das Kompositionsstipendium des Berliner Senats
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Werktext
No air here (2020) für zwölf Stimmen basiert auf zwei Textquellen. zuerst sind es die Gedichte aus dem Zyklus «Immune Antwort» des in Prag lebenden ukrainischen Dichter Igor Pomerantsev. Pomerantsev reflektiert darin die Trennung von seinem Sohn, dem berühmten englischen Publizisten Peter Pomerantsev, der im Frühjahr 2020 in London schwer an COVID-19 erkrankte. Die zweite Textquelle sind Zettel, geschrieben von den Patienten, die an das Lungenbeatmungsgerät (s. g. Ventilator) angeschlossen sind, und nicht mehr sprechen können. Diese Texte, gesammelt über mehr als drei Jahre von einer Ärztin in Tomsk, Sibirien wurden im April 2020 in einem russischen Internetmagazin veröffentlicht und haben eine Schockwirkung verursacht wegen ihrer Direktheit und der Hoffnungslosigkeit, die sie ausstrahlen. Das Stück hat insgesamt drei Sätze, die attacca gesungen werden. Der 1. Satz basiert auf den Zetteln der Kranken, die so klingen wie «welcher Tag ist heute?» «Wie lange bin ich hier?» «Eine Decke» oder «ich will Eis» «Bitte legen sie mich auf den Boden». «Keine Luft hier» «Die Maschine atmet, ich aber nicht». Die Gedichte von Pomerantsev werden im 2. und 3. Satz vertont, wobei im 3. Satz wieder die Texte der Zettel als Kontrapunkt verwendet werden.
—Sergej Newski
für Chor mit 12 Stimmen
Text: Quirinus Kuhlmann
3S.3A.3T.3B
Dauer: 11 Min.
UA: 04.02.2021, ECLAT Festival, Stuttgart
Auftragswerk des SWR Vokalensemble Stuttgart
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SWR Vokalensemble Stuttgart
Samir Odeh-Tamimi – VROS (2020/2021)
3 Frauenstimmen, Tenor & Elektronik
3femVx.T.el
Dauer: 13 Min.
UA: 03.02.2021, ECLAT Festival, Stuttgart
Kompositionsauftrag von Musik der Jahrhunderte
Die elektroakustischen Klänge wurden im Studio der AdK Berlin produziert
Das Konzert kann ab dem 17.03.2021 auf
SWR2 JETZTMUSIK nachgehört werden.
Neue Vokalsolisten
Werktext
Das Werk
VROS benutzt eine expressive Fantasiesprache, die keine semantische Bedeutung hat und von mir frei erfunden ist. Wort und Klang sind hier identisch. Der Titel des Stückes ist dem gesungenen Text entnommen.
VROS handelt von einem Menschen, der in Isolation lebt. In seiner eigenen Welt nimmt er nichts wahr von der Welt, die ihn umgibt. Seine Versuche, sich zu verständigen und mitzuteilen, scheitern, und so gräbt er sich tief und tiefer in seine isolierte Welt ein. Während des Kompositionsprozesses wurde mir in einem sehr überraschenden Moment klar, dass dieser Mensch ein Mörder ist. Ihm selbst gelingt es weder, diese Tatsache zu begreifen noch zu akzeptieren. Auch sein Wunsch und sein Bemühen, dies Anderen mitzuteilen, misslingt.
—Samir Odeh-Tamimi
Photos: Harald Hoffmann (title), Klaus-Mellenthini/SWR (SWR Vokalensemble), Manu Theobald (Neue Vokalsolisten)