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Happy birthday, Robert HP Platz!

Happy birthday, Robert HP Platz!

„Sich in dem von Platz erdachten Labyrinth aus Klängen zu verlieren ist das Beste, was man in diesen Tagen tun kann“ schreibt Piercarlo Poggio in seiner Rezension zur aktuellen CD von Roberto Fabbriciani mit Werken von Robert HP Platz (BlowUp, Mai 2021). Platz’ Kompositionen seit 1989 sind Teile eines tagebuchartig in assoziativen Sprüngen sich fortsetzenden Gesamtwerks, in dem die einzelnen Werke zwar für sich stehen, strukturell aber eng vernetzt sind und auch zum Teil gleichzeitig aufgeführt werden können. Mit diesen Verästelungen, Verzahnungen, klanglichen, räumlichen und inhaltlichen Verbindungen schafft Platz einen Kosmos polyphoner Formen, deren Gesamtbild je nach Perspektive (oder Sitzplatz) changiert – und (vielleicht nie?) geschlossen wird.

Wir feiern Robert HP Platz' 70. Geburtstag mit der aktuellen CD, seinem jüngsten Orchesterwerk Anderswo:Wand und freuen uns auf weitere „Verästelungen“ – wie in einem neuen Werk für Ensemble Musikfabrik und Festival ACHT BRÜCKEN im Frühjahr 2022.






Anderswo: Wand (2017/2018)

für Orchester
2.2.ca.2.2 - 4.2.2.1 - perc - hp - solo vl - 8.8.6.4.4
WP: 12.01.2019, Köln



Partitur ansehen

Über das Werk

Diese Wand hat etwas Wuchtiges, Undurchdringliches, Dichtes. Bei genauem Hinsehen /-hören nimmt man Einzelheiten wahr, Inschriften, aus der Masse schälen sich Individuen heraus, die, je weiter das Stück sich entwickelt, desto mehr sich entfalten können.

So weit so technisch so banal.

Das Ganze geht zurück auf die Vorstellung einer imaginären Opern-Szene für meine Kammeroper Anderswo, dort geht es um die Frage des Tyrannenmords. Die „Wand“ sollten dort die gesungenen/gesprochenen/geschrieenen Namen der Opfer sein, die sich (parallel zu einer Rahmenhandlung, den Widerstand gegen die Nazis betreffend) immer mehr herausschälen und erkennbar werden, Individualität erlangen.

Die „Handlung“ würde über Kreuz laufen: der Widerstand vom Täter quasi zum Opfer werden, während die Opfer ihre Opferhaltung, ihre Passivität verlieren und Zukunft aktiv gestalten – hast Du Dich im Netz schon einmal in Spielbergs Shoa Foundation umgesehen?: Die einzelnen Interviews sind oft von schockierender Großartigkeit …

Kaum eine Spur von Bitterkeit oder Hass, sondern immer wieder Vergebung, Aufforderung zum Überwinden von Barrieren, immer wieder Zeugnisse von der Liebe zur Welt und zum Menschen …

Was mich auf der anderen Seite zu dem grandiosen Wurf der Rede This is Water von David Foster Wallace bringt, in der er unseren normal täglichen Egoismus als „Standardeinstellung unserer psychischen Festplatte“ bezeichnet und einer „Anpassung" gegenübergestellt, die den Mitmenschen nicht als Hindernis beim Erreichen selbstgesteckter Ziele, sondern als Mitmenschen versteht, auf Augenhöhe – als gleichberechtigte Stimme, womit wir bei der Polyphonie wären, wie ich sie – durchaus politisch – verstehe: als Umgang in Respekt und Liebe mit dem Anderen in seiner Andersartigkeit.

—Robert HP Platz





Photo: Barbara Klamm