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Rolf Riehm: Interview

Rolf Riehm: Interview

Am 14. September 2014 findet die Uraufführung von Rolf Riehms Musiktheaterwerk Sirenen – Bilder des Begehrens und des Vernichtens an der Oper Frankfurt statt. Mehr in diesem Interview.

Rolf Riehm, wie sind Sie mit Musik in Berührung gekommen?
Meine Eltern waren beide Musiker. Nachhaltige Eindrücke empfing ich 
dadurch, dass ich stundenlang neben meinem Vater am Klavier saß und zuhörte, wenn er Liszt, Chopin und Brahms übte. Virtuose Klaviermusik war mein erstes musikalisches Eldorado, erst viel später bekam ich Ohren für Mozart, Bach oder Beethoven. Mit Orgel- und Oboenspiel finanzierte ich mir später das Studium.

Was sind Ihre Inspirationsquellen?
Ich empfinde mich zwar im hergebrachten Sinn als von politischen Ereignissen, Zuständen etc. angeregter Komponist, aber gerade während ich dies formuliere, sehe ich im Internet den Protest der Menschen auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Da haben sich keine Massen versammelt und skandieren Parolen oder halten Plakate mit Botschaften in die Luft. Da stehen Menschen einfach vereinzelt stumm und reglos herum, wie Figuren von Stephan Balkenhol. 

Es geht nicht mehr um Statements, Appelle oder Agitation. Ich glaube, dass solche Haltungen in den „Stoffwechsel“ der Artefakte eingedrungen sind. 

Wer sind Ihre Vorbilder in der Welt des Theaters?
Eine ganze Reihe haben mich sehr beeindruckt: vor allem Filmregisseure: etwa Godard mit Passion, Pasolini mit Teorema, Accatone, Il vangelo secondo Matteo (ganz stark!), Bertolucci, Billy Wilder (vergöttere ich!). Theater: der frühe Robert Wilson, Christof Nel mit Salome, Tristan und Isolde (in Christofs Tristan... habe ich begriffen, welch phänomenaler Sprachkünstler Wagner ist), Achim Freyer mit Händels Ariodante, Jürgen Gosch mit Le Nozze di Figaro und Heiner Goebbels' visuelle Dramaturgie.

Wie würden Sie die Ästhetik Ihrer Musiktheaterwerke beschreiben?
Augenblicklich arbeite an meiner Oper Sirenen – Bilder des Begehrens und des Vernichtens, die ihre Premiere am 14. September 2014 an der Oper Frankfurt haben wird. 

Der Haupttext darin ist die Erzählung des Odysseus über seine eigene Irrfahrten, mit der er die Gesellschaft am Königshof der Phäaken beeindrucken will. Vor allem die Begegnungen mit der Göttin Kirke und den todbringenden, aber unvorstellbar zauberhaft singenden Sirenen faszinieren das Publikum. Und zwar Kirke, weil sie Odysseus nach wie vor mit göttlicher Kraft liebt, obwohl er sich nach einem Jahr unter fadenscheinigen Ausreden von ihrer Insel davonmacht, und die Sirenen, weil sie die vorbeifahrenden Seeleute mit tödlicher Kraft auf ihre Insel locken, um sie im Schönheitstaumel des Gesangs und der Begierde umzubringen.

Diesen Taumel aus Musik, Gesang und Bildern möchte ich evozieren und das Publikum da hineinziehen. Ich würde mir wünschen, dass die Besucher der Oper wie Kirke, die Sirenen und vor allem auch wie Odysseus von der Musik und der Dramatik des Geschehens mitgerissen werden. Ich wäre glücklich, wenn die Gegenwärtigkeit meiner Musik deutlich machen könnte: Kirke, die Sirenen, Odysseus – das sind  nur Namen. In Wahrheit sind es aber wir selbst, die in den Konflikten von Liebe, Verrat, Abschied, Begehren, Sehnsucht, Todesdrift schier unterzugehen drohen.