„Ohne Scheitern geht es nicht“ – zum Tod von Armin Köhler
Als Armin Köhler 1992 beim SWR Baden-Baden Redakteur für Neue Musik wurde und ab 1993 auch erstmals eigenständig die Donaueschinger Musiktage als künstlerischer Leiter betreute, war er sehr vielen in der westdeutschen Neue Musik-Szene noch nicht bekannt und wurde als „Ossi“ belächelt und unterschätzt. Er war ein Quereinsteiger im Rundfunk. Als SWR Redakteur entwickelte er neue Formen in groß angelegten Sendereihen, darunter unter anderem virtuelle Gesprächsrunden mit Komponisten, erstellt aus Dutzenden Einzelinterviews.
Für die Donaueschinger Musiktage verstand er es mit sehr großem persönlichem Einsatz externe Förderer für das Festival zu gewinnen, um übergroße Projekte umzusetzen und vielen ästhetisch kompromisslosen Strömungen unserer Zeit eine Bühne zu bieten. Seit 1994 gehören Klanginstallationen zum festen Bestandteil des Festivals, eine Öffnung, die heute fast schon zur Normalität bei deutschen und internationalen Festivals geworden ist. Ausverkaufte Konzerte wurden unter seiner Leitung zum Regelfall.
Ein persönliches Anliegen waren ihm musikalische Konzepte, die alle Bereiche der Musik grundlegend hinterfragen und neuzudenken versuchen. Scheitern, so sagte er mir noch vor wenigen Tagen persönlich, gehöre immer dazu und sei das Wichtigste überhaupt. Nichts bringe einen so sehr weiter wie gerade das Scheitern.
So war es auch die paper music von Josef Anton Riedl (ein happening, bei dem Noten zerrissen wurden), die ihm die Augen für die Welt der zeitgenössischen Musik öffneten. John Cage, auf den er immer wieder zu sprechen kam, war für ihn ein zentrales Vorbild. Die Werke des amerikanischen Komponisten hatte er durch seine Arbeit bei Edition Peters genau studieren können. Mit Nam June Paik und den Einstürzenden Neubauten stellte Armin Köhler sich schließlich als künstlerischer Leiter in Donaueschingen vor.
In den letzten Jahren setzte er sich für eine jüngere Generation von konzeptionell denkenden Komponisten ein, die nun auch erste substanzielle Werke hervorbringt, wie er Anfang dieses Jahres feststellte. Der Nachwuchs lag ihm besonders am Herzen und so richtete er mit „next generation“ ein großes Nachwuchsprogramm ein. Etwa 180 Studentinnen und Studenten aus aller Welt bekamen so jedes Jahr die Möglichkeit, Donaueschingen zu erleben und in Vorträgen und Workshops mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen.
Streitgespräche waren für ihn notwendig, Kritik kein Manko. Gefällige Small-Talk-Floskeln („Das war wieder ein besonders guter Jahrgang in Donaueschingen, Herr Köhler…“) hasste er. Und vielleicht das Wichtigste: Er war spontan und bereit, auch mal seinem Bauchgefühl zu vertrauen, ehrlich seinem ästhetischen Empfinden gegenüber und bei allem Trubel immer den Künstlern und Menschen innerlich zugewandt.
Ende Januar besuchte Armin Köhler gemeinsam mit seiner Frau Lore Späth unseren Verlag in Berlin. Gezeichnet von der schweren Krankheit konnte er sein Festival im Oktober nur noch als Radiohörer mitverfolgen. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass viele Komponisten dieses Verlags außergewöhnliche Projekte umsetzen konnten bzw. beim nächsten Festival 2015 noch umsetzen werden. Im Namen aller sage ich hierfür: Danke, Armin!
Armin Köhler verstarb Samstagabend, am 15. November 2014.
Till Knipper, 16.11.2014
Photo: SWR/Hans Kumpf