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Unsere Komponistinnen - Teil 3: Annette Schlünz

Unsere Komponistinnen - Teil 3: Annette Schlünz

Über Jahrhunderte hinweg wurde klassische Musik hauptsächlich von Männern komponiert und aufgeführt. Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. In einer Artikelserie stellen wir die Komponistinnen unserer Verlagsgruppe vor. Dieses Mal: Annette Schlünz.

Schon als 12-Jährige haben Sie an der Kinderkomponistenklasse in Halle teilgenommen - wie hat sich damals der Wunsch bei Ihnen entwickelt, Komponistin werden zu wollen?
Ich habe Noten geschrieben bevor ich Buchstaben schrieb, etwa mit 5, es war einfach ein Ausdrucksbedürfnis. Die Komponistenklasse ermöglichte mir, das Komponieren weiter zu entwickeln und es neben einer Art inneren Notwendigkeit als Beruf zu begreifen. Etwa mit 16 ermutigten mich Hans J. Wenzel, der Leiter der Klasse, und Dietrich Boekle, Gastdozent aus Darmstadt und mein Lehrer, Komposition zu studieren. Ich glaube, man wird nicht Komponist oder Komponistin, man ist es.

Warum gibt es Ihrer Meinung nach noch immer mehr Komponisten und Dirigenten als Komponistinnen und Dirigentinnen?
Ich glaube, es gibt genauso viele Mädchen, die komponieren und dirigieren wollen (das sehe ich in meinen Kursen in Frankreich und in Deutschland), aber es gibt noch fast genauso viele Vorurteile in der Gesellschaft. Um den Beruf wirklich auszuüben, braucht man Ermutigung von außen, eigenes Durchhaltevermögen und Vorbilder, die man nachahmen kann. Diese werden zum Glück zahlreicher.

Welche Momente gab es in Ihrem Leben, in denen Sie selbst als Komponistin dieses Ungleichgewicht zu spüren bekommen haben?
Das spüre ich, wenn ich Konzertprogramme oder Verlagskataloge anschaue. Früher habe ich nicht darauf geachtet. Später als Dramaturgin beim Dresdner Festival habe ich bewusst auf interessante Kolleginnen hingewiesen. Als Lehrerin fördere ich Komponistinnen und Komponisten, die Frauen ermutige ich jedoch besonders.

Heute ärgert es mich, wenn ich Festivalprogramme mit fast ausschließlich männlichen Kollegen sehe oder abwertende Bemerkungen gemacht werden. Die gibt es leider immer noch genug. Ich trete dafür ein, dass es eine Selbstverständlichkeit wird, Komponistin zu sein.

Komponieren Frauen anders als Männer?
Da könnte man auch fragen: komponiert ein Engländer anders als ein Franzose, ein Homosexueller anders als ein Heterosexueller, ein alter anders als ein junger Komponist? Es gibt Unterschiede zwischen den Menschen, zum Glück – in Folge dessen auch zwischen den Komponisten, die sich selbst auch noch einmal innerhalb ihres Lebens verändern. Ausgesprochen männliches oder weibliches Komponieren? Nein!

Sie unterrichten Komposition und sind Jurymitglied bei internationalen Kompositionswettbewerben – würden Sie sagen, dass die Zahl junger Frauen, die heutzutage Komponistinnen werden wollen, zunimmt?
Vielleicht nimmt die Anzahl gar nicht zu, weil es schon immer viele gab, die es wollten, aber dann doch aus den verschiedensten Gründen nicht taten. In der Generation de 10-20jährigen halten sich Jungen und Mädchen ziemlich die Waage, bei den Wettbewerben stelle ich eine viel größere Anzahl männlicher Bewerber fest.

Sich nach dem Studium als Komponistin einen Namen machen, das Durchhaltevermögen, das Netzwerken, das „Sich-Verkaufen“ und die Akzeptanz bei Festivaldirektoren steht dann auf einem ganz anderen Blatt. Aber bei Musikern und Orchestern wächst diese Akzeptanz, und das ist ein positives Zeichen.

Vor kurzem wurde Ihr Orchesterwerk Flammenschrift – Welch Licht, kein Schatten in Dessau uraufgeführt. Bitte erzählen Sie uns mehr darüber!
Am 5. und 6. November wurde dieses Stück von der Anhaltischen Philharmonie mit Jan Pieter Fuhr als Sprecher unter der Leitung von 3 jungen Dirigenten (Samy Moussa, Taepyeong Kwak, Felix Mildenberger) der Dirigierwerkstatt (Leitung James Ross) im Rahmen des Impuls-Festivals uraufgeführt. Hans Rotman hatte den Auftrag ausgelöst, wie bereits den von 2009: Weithin (in mögliche mitten), der vom selben Orchester uraufgeführt wurde.

Es gibt inzwischen beim Orchester eine positive Resonanz auf neue Musik, und das Engagement, bis hin zum Bau von Schlaginstrumenten, war groß. Mir liegt sehr viel an der Zusammenarbeit mit Klangkörpern, die nicht auf zeitgenössische Musik spezialisiert sind – es bringt mich dazu, Fragen zu Ausführbarkeit und Vermittlung neu zu stellen. In Dessau waren die Antworten sehr positiv.

Es wird außerdem 2 weitere Aufführungen im Dezember bei „staging on the Bauhaus“ unter der Leitung von Daniel Carlberg geben.

Was sind Ihre Pläne für 2016?
2016 wird ausgefüllt sein von der Arbeit an meiner Oper Tre volti (einem mit Monteverdis Combattimento di Tancredi e Clorinde verflochtenem Stück), im Auftrag der Schwetzinger Festspiele 2017 in Zusammenarbeit mit Jeremias Schwarzer, der Dichterin Ulrike Draesner und der Regisseurin Ingrid von Wantoch Rekowski, dem Concerto Köln, Solisten der neuen Musik und den Sängern Dietrich Henschel und Petra Hoffmann.

Daneben gibt es Kammermusikprojekte für Frankreich und Österreich. Auch das Unterrichten wird viel Raum einnehmen, beides ergänzt sich hervorragend. Langeweile ausgeschlossen!