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Unsere Komponistinnen, Teil 5: Violeta Dinescu

Unsere Komponistinnen, Teil 5: Violeta Dinescu

Klassische Musik wurde über Jahrhunderte hinweg wurde klassische Musik hauptsächlich von Männern aufgeführt, auch der Anteil an weiblichen Komponisten ist gering. Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. In einer Artikelserie stellen wir die Komponistinnen unserer Verlagsgruppe vor. Dieses Mal: Violeta Dinescu.

Violeta Dinescu: Der 35. Mai
Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee von Violeta Dinescu zählt zu den erfolgreichsten und am häufigsten aufgeführten Kinderopern von Ricordi. Seit der Uraufführung 1986 am Nationaltheater Mannheim stand das Werk an vielen bedeutenden Bühnen auf dem Spielplan, darunter an der  Hamburgischen Staatsoper, der Staatsoper Wien, der Staatsoper Stuttgart und dem Staatstheater am Gärtnerplatz.

„Es fehlt an guten deutschen Autoren. Schreiben Sie ein Kinderbuch!“ – Ohne diese Worte der Verlegerin Edith Jakobsohn würde es Erich Kästners Buch Der 35. Mai wohl nicht geben. Sie war es, die den Autor ermutigte, für Kinder zu schreiben. Der 35. Mai erschien schließlich im Jahr 1932.

Fast 55 Jahre später, im Jahr 1986, erhielt die rumänische Komponistin Violeta Dinescu vom Nationaltheater Mannheim, einer der größten Bühnen Deutschlands, den Auftrag, eine Kinderoper zu schreiben. Nach einiger Recherche stieß sie per Zufall auf die Romanvorlage. Der 35. Mai wurde Violeta Dinescus erste Kinderoper, doch hatte die 1953 in Bukarest geborene Komponistin bereits mit Kindern zusammengearbeitet und darüber hinaus rumänische Kinderlieder gesammelt und transkribiert. „Bei den verschiedenen Inszenierungen des 35. Mai habe ich immer wieder bemerkt, welche universelle Dimension die Musiksprache der Kinderlieder hat. Ein Wunder der Kommunikation“, so Violeta Dinescu.

Der folkloristische Klangraum der Kinderoper ist geprägt von Klangfarbenreichtum und rhythmischer Vielfalt. Das Ziel ist, die jungen Zuhörer zu fesseln und zu begeistern. So komponiert sie ganz aus der Wahrnehmungsperspektive der Kinder heraus: „Der Komponist muss ein tönendes System finden, das die Kinder verstehen können, auch wenn es nicht simpel ist. Ein abstraktes, beispielsweise dodekaphonisches System können Kinder nicht nachvollziehen: Erst eine Hierarchie von Klangbeziehungen mit großem Farbwert, in der es Greifbares (Rhythmen, Melodisches) gibt, ist für Kinder wahrnehmbar. Das muss durchaus nicht innerhalb des Dur-Moll-Systems geschehen.“

Der Aufbau der Kinderoper orientiert sich stark an der Romanvorlage. Im Buch reisen Konrad und sein Onkel, der Apotheker Ringelhuth, gemeinsam mit dem rollschuhfahrenden Zirkuspferd Negro Kaballo zur Südsee, denn Konrad soll über diesen Ort einen Aufsatz schreiben. Durch einen Dielenschrank gelangen die Drei in eine Fantasiewelt, in der allerhand seltsame Dinge geschehen. Sie reisen durch verschiedene Länder und begegnen unter anderem Karl dem Großen, der mittlerweile der Torhüter der „Burg zur großen Vergangenheit“ ist, oder Napoleon, mit dem Onkel Ringelhuth in Streit gerät.

Zu ihrem Ziel, der Südsee, gelangen Konrad, sein Onkel und Negro Kaballo schließlich über den Äquator, der aus einem langen, stählernen Band besteht.
Dort angekommen lernen sie das Mädchen Petersilie kennen, das Konrad die prächtige Welt der Südsee zeigt. Fliegende Hunde, goldene Pfauen und schneeweiße Eichhörnchen queren dabei ihren Weg. Mit Hilfe des Häuptlings Rabenaas, auch „Die schnelle Post“ genannt, gelangen sie wieder zurück nach Hause: Rabenaas zaubert kurzerhand Onkel Ringelhuths Schrank in die Südsee, durch welchen sie wieder in ihre Welt schlüpfen. Und das gerade noch rechtzeitig: Onkel Ringelhuth kommt pünktlich zu seiner Schicht in der Apotheke, und Konrad hat noch genügend Zeit, seinen Aufsatz über die Südsee zu verfassen.

Hinter dem 35. Mai verbirgt sich allerdings mehr als eine reine Fantasiegeschichte für Kinder. Kästner übte in seinem Buch Gesellschaftskritik und orientierte sich an den Problemen der späten Weimarer Republik. In den einzelnen Reisestationen lassen sich immer wieder indirekte Verweise hierauf entdecken. Das Schlaraffenland beispielsweise ist ein Synonym für die Faulheit, die „Burg zur großen Vergangenheit“ konkretisiert Kästners Kritik am Militarismus und die Stadt Elektropolis steht für die Gefahr der totalen Technokratie. Auf diese Weise bringt Kästner sein politisches Weltbild zum Ausdruck – mit Themen, die heute noch hoch aktuell sind.
Text: Annette Thoma


Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee
Kinderoper in sieben Bildern für Kinderchor und Orchester
1. 1. 1. 1 - 1. 1. 1. 0. / 2 Schlzg. Klav. (Cem) Org. (Cem) Hf. / Streicher (auch nur 1. 1. 1. 1. 1.))
Libretto: Florian Zwipf, Ulrike Wendt; nach Erich Kästner  
UA: 1986, Nationaltheater Mannheim
Dauer: abendfüllend
Für Kinder ab acht Jahren


Aufführungen
Nationaltheater Mannheim (UA, 1986)
Staatsoper Dresden (Spielzeit 1989/90)
Staatstheater am Gärtnerplatz, München (1991)
Staatsoper Stuttgart (1999)
Staatstheater Mainz (2006/07)
Staatsoper Wien (2001)
Theater Ettelbrück, Luxemburg (2002)
Hamburgische Staatsoper (2004)
Kampnagel Hamburg (2004)
Theater Freiburg (2008)