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Bernhard Lang:

Bernhard Lang: "ParZeFool" in Wien

Am 4. Juni 2017 dirigiert Simone Young die Uraufführung des Musiktheaterwerks ParZeFool – Der Tumbe Thor von Bernhard Lang im Rahmen der Wiener Festwochen. In diesem Interview spricht sie über das Werk.


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Sie haben einmal alle zehn Hauptwerke Richard Wagners in nur drei Wochen dirigiert. Was fasziniert Sie besonders an Parsifal – sowohl an der Erzählung als auch an dem Mythos?
 
SY: Bereits in meiner Kindheit haben mich die Artus-Sagen und nordischen Legenden fasziniert. Besonders der Mythos um den Heiligen Gral interessierte mich – und tatsächlich habe ich kürzlich erst Montserrat in Spanien, eine der mutmaßlich letzten Ruhestätten des Grals, besucht. Die Erzählung von einer Suche nach etwas von großer spiritueller Bedeutung ist an sich bereits reich und inspirierend – und Wagners Oper erkundet die Themen Unschuld, Gut und Böse, Macht, Verführung, Vergebung und Versöhnung. Die meditative Qualität weiter Teile der Partitur ist einzigartig, und gleichzeitig ist die leidenschaftliche und schmerzliche Schönheit des zweiten Akts in seiner Sinnlichkeit auch hochemotional. 
 
Was verbindet Bernhard Langs Musik mit Richard Wagners Parsifal? 
 
SY: Bernhard hat Elemente aus Wagners Motiven und melodischen Linien entnommen und diese zu Loops verarbeitet; die Wiederholungen lassen dabei eine neue, meditative/ausdrucksstarke Ebene in einem sonst sehr zeitgenössischen musikalischen Idiom entstehen. Saxofon, umfangreiches Schlagwerk, zwei Synthesizer und der ständige Gebrauch sehr komplexer Harmonien, einschließlich Vierton-Cluster, erzeugen eine Klangwelt, die sehr individuell ist und dennoch auf Wagners Parsifal verweist. 

Was ist Ihrer Meinung nach generell das Besondere an Bernhard Langs Musik?

SY: Bernhards Musik ist sehr klar modelliert – die Phrasen- und Passagenlängen zielen auf einen größtmöglichen dramatischen Effekt ab. Sein Umgang mit Schlagzeug und tiefen rhythmischen Instrumenten lässt eine sehr komplexe Partitur sehr klar strukturiert erscheinen. Die Bandbreite seiner kompositorischen Gestaltung für Stimmen erstreckt sich von sehr lyrisch (gewisse Passagen für Kundry und Parzifal) über dramatisch (Amfortas) bis hin zu komplex und bedächtig (Gurnemanz). Der Chor ist atmosphärisch komponiert, was dem Drama eine weitere Klangfarbe hinzufügt. 

Worauf freuen Sie sich außerdem noch im Verlauf des Jahres 2017?
 
SY: Nach den Aufführungen bei den Wiener Festwochen werde ich Elgars Dream of Gerontius in London dirigieren – ein Werk, dass Tod und Vergebung aus einem sehr katholischen Kontext heraus untersucht und dass sich ebenfalls auf Wagner und Liszt als musikalische Einflüsse stützt. Danach folgt meine jährliche Konzerttournee durch Australien und natürlich meine Rückkehr nach Wien zur Saisoneröffnung der Staatsoper mit Prokofjews Der Spieler – viele spannende Projekte liegen vor mir! 

Simone Young


Aufführungen 

ParZeFool - Der Thumbe Thor (2016)
Musiktheater für Stimmen, Chor, Ensemble und 2 Jazz-MusikerInnen
nach Richard Wagners Parsifal
UA: 04.06.2017, Wien (Wiener Festwochen)
15.10.2017, Berlin (Festival Immersion, Berliner Festspiele)
Dauer: 200'

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Pressestimmen

Opernwelt | 07/2017
„Überhaupt spielt Lang gerne mit verschiedenen Stilelementen, verquirlt sie zum Powerdrink. Dies verleiht Flügel“

taz - Die Tageszeitung | 06.06.2017
„Erlösung dem Erlöser? Diesem Thema Wagners begegnet Lang, indem er eher die Erlösung vom Erlösen sucht und einen neuen musikalischen Körper auf das Ausgangswerk legt. Das bereitet, unabhängig vom musiktheoretischen Bildungsgrad, intellektuelles Vergnügen.“

Deutschlandfunk Kultur | 05.06.2017
„Freilich wäre Meeses Chaos-Kosmos bei einer regulären Parsifal-Aufführung ziemlich deplatziert, doch zum Glück gibt es den Komponisten Bernhard Lang, der Wagner in einem Loopgewitter und virtuosen Übermalungen aufgehen lässt. Da fühlt man sich oft wie auf einer Tenne und will das Tanzbein schwingen, so locker-jazzig klingt das.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung | 06.06.2017
„Es ist eine gleichsam liebevolle Dekonstruktion, eine „Überschreibung“, wie er selbst es nennt, die Lang mit der Musik des „Parsifal“ vollzieht. Anders als in seinem 2006 gleichfalls bei den Wiener Festwochen uraufgeführten Musiktheater „I Hate Mozart“, in dem Lang Versatzstücke aus verschiedenen Mozart-Opern in Loops drehte, ist „ParZeFool“ enger an das Original gekettet. Vieles wirkt geradeso, als hätte er die Partitur Wagners in kurze, noch sinnfällige Fragmente zerschnitten, um sie dann neu zusammenzusetzen.“

Der Tagesspiegel | 06.06.2017
„So ist dies ein völlig neues Werk geworden. Das liegt auch an der Musik von Bernhard Lang. Sie umspielt Richard Wagner, entfernt sich stellenweise, kommt ihm dann in einzelnen Motiven sehr nahe bis hin zum direkten Kopieren. Langs wichtigstes Mittel: Das Insistieren, die permanente Wiederholung. Orchester und Sänger krallen sich gleichsam über viele Takte hinweg an einzelnen Worten und Wendungen fest, auf der Suche nach dem „Dahinter“, der Essenz. Schlagwerk spielt eine zentrale Rolle, dieser „Mondparsifal“ ist auch eine Jazzoper.“


Komponistenprofil: Bernhard Lang


Fotos: Jan Bauer, Kasskara (Young)