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Bernhard Lang – Premieren beim Beethovenfest und Warschauer Herbst

Bernhard Lang – Premieren beim Beethovenfest und Warschauer Herbst

Dreimal Bernhard Lang im September – oder doch vier? Wir zählen noch einmal nach: Unter der Leitung von Stefan Asbury wurde Langs Monadologie XXXIV ‘…Loops for Ludvik’ beim Beethoven Fest Bonn uraufgeführt. Es folgte das Referenzwerk - Beethovens drittes Klavierkonzert in c-Moll und dann erneut: Langs Monadologie. Das von Pianist Mario Formenti, "ein Glenn Gould des 21. Jahrhunderts" (LA Times), gemeinsam mit dem MDR Sinfonieorchester interpretierte Auftragswerk überzeugte Publikum und Presse als „zweifellos eine originelle Metamorphose!“ (Kölner Stadt-Anzeiger). Mit der polnischen Erstaufführung von DW 28  Loops for Davis für Bassklarinette und Orchester eröffnete der Warschauer Herbst sein Programm – den Solopart übernahm wie bei der Uraufführung Gareth Davis. Einen Tag später folgte mit DW 29 Loops for Paweł Szymański eine weitere Erstaufführung in Warschau. Der polnische Komponist zählt für Lang zu den bedeutendsten Vertretern der Gegenwartsmusik und beeinflusste Langs Schaffen seit den 80er Jahren maßgeblich.

Monadologie XXXIV ‘…Loops for Ludvik’ (2017)

für Klavier und Orchester
pf - 3.2.4.3 - 2.2.2.1 - 6perc.timp - hp - 12.12.8.6.4
Dauer: 30'
UA: 6.9.2018, Bonn

Picture of Bernhard Lang Monadologie XXXIV at Beethovenfest Bonn
Uraufführung der Monadologie XXXIV, Beethovenfest Bonn 2018

Pressestimmen

Seine Monadologie XXXIV in der Aufführung durch das MDR Sinfonie-Orchester unter Stefan Asbury mit Mario Formenti am Klavier bot denn auch über weite Strecken einen komplett dekonstruierten Beethoven. Wobei die musikalische Substanz, die essenziellen Kernelemente seiner Komposition alchemistisch verwandelt, in einem opulenten, vielschichtig gestalteten Klangbild enthalten blieben. […] Raffiniert aber auch gewöhnungsbedürftig wirkten weiterhin die „Loops“, Endlos-Schleifen, Wiederholungen von halb- oder eintaktigen Motiven, mit denen die Musik verengt und stellenweise regelrecht angehalten wurde. Aber Lang setzt nicht nur auf Technik. Zu Beginn des 3. Satzes erklangen länger auskomponierte Sequenzen. Arpeggios, die an ein düsteres, spätes Werk von Dmitij Schostakowitsch oder einen wirr geratenen Tanz-Rhythmus erinnerten.
General-Anzeiger-Bonn, 8.9.2018

Eine überzeugendere Bewerbungsmappe für Nike Wagners jährlich bis zum Jubiläumsjahr 2020 wachsende Sammlung von Auftragswerken mit Musik über Beethoven dürfte kaum zu finden sein. […] Selbst wenn der Beginn an den Klang eines Gamelanorchesters erinnert, das Drum-Set dem Werk in kurzen Passagen eine jazzige Note verleiht oder die Musik von einem mikrotonalen Klangschleier überzogen wird, bleibt „Ludwig“ immer präsent. Es sind bei Weitem nicht nur die wichtigsten Themen aus dem c-Moll-Konzert, die hier eine Rolle spielen. Da können auch kleine Überleitungsfloskeln, durch den Loop-Wolf gedreht, zu musikalischen Hauptdarstellern wachsen. Die Effekte, die Lang damit erzielt, sind farbig und spannend, manchmal irritierend, manchmal auch ein bisschen lustig, wie zu Beginn des dritten Satzes, wo Lang das tänzerische Rondo-Thema des Originals völlig aus den Takt bringt. Formenti hat hörbare Freude an diesem virtuosen Stolperspiel, legt sich bei der Ausführung des anspruchsvollen Soloparts mächtig ins Zeug, während Asbury und das Orchester die Partitur schillern lassen.
Bonner Rundschau, 8.9.2018

Über das Werk

Monadologie XXXIV ‘...Loops for Ludvik’ ist die dritte der Beethoven-Bearbeitungen in der Monadologie-Serie, die erste bezog sich auf die VII. Sinfonie, die zweite auf die Hammerklaviersonate; schon zuvor hatte ich eben letztere Sonate in DW 12 für Klavier Solo zitiert (2004). Das Stück umfasst drei Sätze, jeder entspricht einer zentralen Struktureinheit des Originals und entnimmt diesen "Stammzellen" zur weiteren Verarbeitung. Wie in den anderen letzten Stücken der Monadologie-Serie verwendete ich hier keine Algorithmen zur Komposition, sondern setzte die quasi verinnerlichten Ergebnisse des vorhergehenden Computerprocessings frei in den Loop- und Cut-up-Prozessen ein. Ausgangsmaterial ist Beethovens 3. Klavierkonzert in c-moll, wobei auch hier die Originalgestalt und ihr Grundriss weitgehend in der Überschreibung erhalten bleibt; harmonisch setzte ich hier die im ParZeFool erstmals exponierte Differenztonharmonik ein, ich generiere aus Beethovens vierstimmigen Satz einen zwölfstimmigen mikrotonalen, der wie ein Schleier über den alten Harmonien liegt. Um dies zu realisieren, spielt im Orchester ein zweites Klavier, das einen Viertelton tiefer gestimmt ist. Die Schlagzeuggruppe ist um ein Drumset erweitert. Das Stück arbeitet, so wie alle Monadologien, mit zellulär-monadischen Ausgangsmaterialien, die dann mittels Granulatoren und zellulären Automaten in chaotische Systeme überführt werden; es ergibt sich eine Art hyper-virtuose Uhrwerks-Textur, die auch den Videoarbeiten von Raffael Montañez Ortiz verpflichtet ist.
—Bernhard Lang



DW 28 Loops for Davis (2017)

für Bassklarinette, Sampler und Orchester
bcl - 3.3.3.3 - 4.2.2.1 - perc.drumset - jazzbass.synth.sampler - 12.12.10.8.6
Dauer: 30'
UA: 22.10.2016, Donaueschingen

Picture of Bernhard Lang DW28 at Warsaw Autumn
Polnische Erstaufführung von DW 28, Warschauer Herbst 2018

Über das Werk

DW 28 stellt die Fortsetzung der Sample-basierten Stücke DW 23 und DW 24 dar, wobei die Bassklarinette im ersteren, das Saxophon im letzteren Stück bereits thematisiert wurde. Hier wird das Sample selbst zum Ursprung der Loops, nicht in der Simulation, Transkription oder Re-Komposition, sondern mit Hilfe des Samplers als eigenem Instrument. (Siehe Tilman Baumgärtels Buch „Schleifen Zur Geschichte und Ästhetik des Loops“). In „loops for Davis“ werden die Samples einerseits in orchestralen Kontext, andererseits in denjenigen einer kleinen Band gesetzt. Das Orchester wird als Makro-Sampler eingesetzt, als große Loop-Maschine, die Soloklarinette stellt sich diesem entgegen, in komplex notierten Solo-Linien, die sich bis zur improvisierten Textur öffnen, klinkt sich dann aber wieder in die Loops ein. Das Stück wurde zusammen mit Gareth Davis entwickelt, die Verstärkungs- und Spatialisierungstechnik im Freiburger Experimentalstudio (Reinhold Braig). Mit Davis hatte ich zuvor bereits die sogenannten „Parkerphonics“ als neue Spielweise entwickelt, die auch hier Verwendung finden. Und die Doppeldeutigkeit der Widmung bezieht sich natürlich auch auf Miles. Daneben geistern Eric Dolphy und andere Jazzgrößen durch das Stück, schwer erkennbar, aber doch gegenwärtig. Und das letzte Wort hat ...
—Bernhard Lang




DW 29 Loops for Pawel Szymanski (2017)

für zwei Akkordeons
2acc
Dauer: 25'
UA: 2.6.2017, Graz

Picture of Bernhard Lang DW29 at Warsaw Autumn
Polnische Erstaufführung von DW 29, Warschauer Herbst 2018

Über das Werk

Loops for Szimansky wurde von Mirko Jevtovic angeregt, der mich um ein Stück für 2 Akkordeons bat. Ich dachte darüber nach, da mein Arbeitspan bereits voll war, beschloss ich das Stück auf später zu verschieben. Aber zu Weihnachten 2016, in meinem Haus in Wolfsberg, hatte ich plötzlich die Vorstellung des gesamten Stückes und schrieb es dort schnell nieder. Seit meiner Jugend hatte ich ein enges Verhältnis zum Akkordeon, manchmal besser, manchmal schlechter, meine beiden Eltern spielten das Instrument, meine Mutter sogar virtuos. In den Neunzigerjahren traf ich Krassimir Sterev, für den ich dann 1997 Schrift 3 schrieb. Nachdem ich das Instrument quasi für mich wiederentdeckt hatte, tauchte es nunmehr regelmäßig in meinen Stücken auf: in  DW 3, in den Monadologien XII und XXI, in den Opern Montezuma und ParZeFool. Zwei Inspirationsquellen sind in der vorliegenden Komposition zu finden:
1 Zunächst ist es vor allem die Musik Pawel Szymanskis, den ich für einen der größten zeitgenössischen Komponisten halte und der meine Musik seit den Achtzigerjahren beeinflusst hat.
2 Die andere ist Sevdah-Musik, auf die mich meine slowenische Bekannte Wanja schon vor Jahren hingewiesen hatte. Der Schluss des Stückes beinhaltet eine Art Transkription eines Sevdah-Stückes, das ich auf Youtube gefunden hatte.
—Bernhard Lang




 
Photos: Harald Hoffmann (Lang); Barbara Frommann (Beethovenfest); Warschauer Herbst