Anlässlich des 50. Geburtstages von Olga Neuwirth sind im Rahmen von Wien Modern zwei Großprojekte entstanden, die im November im Wiener Konzerthaus zur Premiere kamen:
Die Stadt ohne Juden, eine neue Filmmusik für den frisch restaurierten Stummfilm von H. K. Breslauer sowie eine revidierte Version ihres Musicstallation-theaters
The Outcast.
The Outcast
Diese Neuproduktion ihrer Homage to Herman Melville lotet mit einer aufwendigen Rundum-Videoinstallation der britischen Regisseurin Netia Jones die Grenzen des Konzertformats aus. Unter der Leitung von Ilan Volkov traf das RSO Wien bei der Premiere im Wiener Konzerthaus auf ein hochkarätiges Solistenensemble um Andrew Watts, Susanne Elmark, Otto Katzameier und Schauspieler Johan Leysen. Im März 2019, dem Jahr des 200. Geburtstages von Herman Melville, gelangt das Werk in der Elbphilharmonie Hamburg zur deutschen Erstaufführung.
The Outcast, WP at Wien Modern
The Outcast (2008-2010/2012)
Homage to Herman Melville. A musicstallation-theater
Revidierte Fassung
Mit Monologen für Old Melville von Anna Mitgutsch
Libretto von Olga Neuwirth, Barry Gifford
Eine Produktion von RSO Wien in Koproduktion mit Wien Modern, Wiener Konzerthaus und Elbphilharmonie Hamburg. Mit freundlicher Unterstützung der Ernst von Siemens Musikstiftung.
S.Boys S.Ct.T.2Bar.3Act.Chansonnier -
Boys Chr.Men Chr - 2.2.2.2 - 2.2.2.1 -
2perc - synth.e-git.acc - 8.8.6.6.4 - el
Dauer: 90'
UA: 14.11.2018, Wien
Aufführungen
14.11.2018 (UA)
ORF RSO Wien, Ilan Volkov (cond.);
Wiener Konzerthaus
4.3.2019 (EA)
ORF RSO Wien, Ilan Volkov (cond.);
Elbphilharmonie, Hamburg
26.9.2022 (EA)
Ensemble intercontemporain, Orchestre du Conservatoire de Paris, Matthias Pintscher (cond.);
Elbphilharmonie, Philharmonie de Paris
Olga Neuwirth bei der Uraufführung von The Outcast (Wien Modern, 2018)
Pressestimen
Neuwirth hat großartige Sängerpartien geschrieben, die etwa die dänische Sopranistin Susanne Elmark als Ishmaela, Otto Katzameier als Käptn Ahab, der Countertenor Andrew Watts als Harpunier Queequeg oder Joel Beer mit seinem Knabensopran als Pip bestechend zu nutzen wussten. Sie arbeitet souverän mit den Möglichkeiten der Solostimmen, der beiden Chöre, der Sprechrollen und des Orchesters, türmt, sich erhebenden Wellenbergen gleich, wuchtig und effektvoll Musik übereinander und setzt zwischendurch kleine Effekte - etwa, wenn sich die Klänge einer E-Gitarre durch das wogende Material arbeiten oder Klaus Nomi durchklingt. Diese Musik ist intelligent und effektsicher zugleich und macht viel Vorfreude auf ihr für Dezember 2019 angekündigtes Staatsopern-Auftragswerk "Orlando".
Salzburger Nachrichten, 15.11.2018
Die Musik ist collageaffin: Da gibt es gleißende Klangflächen, über denen sirenenschöner Gesang anhebt, da gibt es naturnahen Vogelgesang; kirchenmusikhafte Knabenchöre steuern Unschuld bei. Orgel, Akkordeon und E-Gitarre fungieren als Farbtupfer und Assoziationsauslöser, Komik wird dezent (gestopfte Trompeten) oder schenkelklopfend (Stayin' Alive) eingesetzt. Das Meer ist mal sonnenhell und silbern, mal düster und drohend und sogar metallisch-spitz.
Der Standard, 19.11.2018
Hat die politische Feministin Olga Neuwirth ein Gesamtkunstwerk erschaffen? Über diesen Begriff von Richard Wagner sagte der Kritiker und Filmkomponist Hanns Eisler polemisch, er fordere vom Publikum, das Hirn an der Garderobe abzugeben. Olga Neuwirth hingegen fordert Nachdenken. Das Libretto sollte man gelesen haben. Dann konnte man Neuwirth verstehen und im abgedunkelten Raum von ihrer Music-Installation erst recht beeindruckt sein. Und vom weißen Wal, der am Ende das Schiff in die Tiefe des Ozeans versenkte.
Falter, November 2018
The Outcast, UA bei Wien Modern
Partitur von The Outcast
Photos: Markus Sepperer (The Outcast)