Ricordilab-Laureat Donghoon Shin wagt sich mit der Uraufführung seines
Concerto ehrfürchtig an das Genre des Violinkonzerts, aber lassen wir den Komponisten an dieser Stelle selbst zu Wort kommen...
"Vollendet! Concerto für Violine und Orchester, 500 Takte, 22 Minuten. Während dieser Pandemie ein Orchesterwerk zu schreiben, fühlte sich irgendwie surreal an. Überhaupt sehe ich es als Privileg an, dieses Concerto für einen meiner Lieblingsviolinisten, Kristóf Baráti, zu schreiben. Er wird es zusammen mit dem Pannon Filharmonikusok unter der Leitung meines guten Freundes Boon-Hua Lien am 12. November uraufführen. (Ich meine, falls alles gut läuft!...) Mein Dank gilt besonders Peter Eötvös und dem Mentorenprogramm der Peter Eötvös Stiftung für diese Möglichkeit."
— Donghoon Shin
Concerto
für Violine und Orchester
3.2.3.2 – 4.2.2.0 – timp – 3perc – pf.hp – 12.12.10.8.6
Uraufführung: 2021, Pécs
Dauer: 22’
Aufführung
12.11.20
(verschoben auf 2021)
Kodály Centre Concert Hall, Pécs
Kristóf Baráti (vl.), Pannon Philharmonic Orchestra, Boon-Hua Lien (cond.)
Über das Werk
"Wie viele Violinkonzerte wurden in der Geschichte der Musik seit Geburt des Genres bereits geschrieben? Hunderte? Tausende? Oder noch mehr?"
Diese Frage war das Erste, das mir in den Sinn kam, als ich gebeten wurde, ein neues Violinkonzert zu schreiben.
Als extrem erfolgreiches Genre, ist die Geschichte des Violinkonzerts wahrlich reich an Meisterwerken, erdacht durch die größten Komponisten; von Vivaldi bis Ligeti. Wäre es nicht eine vergebliche Bemühung, einen weiteren Samen auf bereits überfülltem Boden zu Pflanzen? Und würde ich überhaupt in der Lage sein, etwas Bedeutsames beizutragen, während diese Meisterwerke stetig um mich herum gespielt werden?
Ironischerweise gab mir diese Angst die Inspiration, mein Concerto für Violine und Orchester zu schreiben. Ich beschloss, ein Konzert über das Konzert selbst zu schreiben; über seine Geschichte, sein Vermächtnis, seine musikalischen Eigenschaften und Ästhetik. Der gesamte Prozess der Komposition dieses Werks war wie ein Versteckspiel mit den großen Meistern und deren Meisterwerken und ich glaube, dass das Publikum Spuren dieses kleinen Spiels, das ich gespielt habe, entdecken wird.
So wie viele traditionelle Konzerte, hat das
Concerto für Violine und Orchester drei Sätze mit den Titeln
Sonata,
Aria und
Round Dance.
Wie der Titel bereits vermuten lässt, beginnt die Musik wie in traditionellen Konzerten mit einem Satz in Sonatenform. Lange wollte ich diese musikalische Form in einem atonalen Kontext rekonstruieren. Da die Sonatenform stark mit der Funktion von Harmonien verbunden ist, ist dieser Satz ein lebhaftes Spiel zwischen musikalischer Einheit und Kontrast, das durch die Verwendung von Tonverwandtschaften und Harmonien im atonalen Kontext erreicht wird.
Der zweite und dritte Satz teilen einige technischen Aspekte, da sie beide Experimente mit Kontrapunkt und polyphoner Schreibweise sind; obwohl sie eine starke Diskrepanz in Bezug auf Länge, Tempi und musikalischen Charakter demonstrieren.
Der zweite Satz
Aria war besonders von J.S. Bachs polyphoner Schreibweise, geführt durch die Solovioline in
Erbarme dich, mein Gott der Matthäuspassion, inspiriert. Obwohl es nicht direkt ein Konzert ist, ist es eindeutig ein monumentales Stück in der Geschichte der Violinmusik. Wie in Bachs berühmter
Aria kommen in diesem Satz zwei Ebenen vor, die in unterschiedlichen Registern platziert sind, um jede einzelne gehörrichtig unterscheidbar zu machen. Die Solovioline im unteren Register und die Holzbläser im oberen Register sind kontinuierlich miteinander verwoben. Die orchestrale Ebene wird durch Unterstützung durch geteilte Streicher, die die Holzbläser wie Schattenfiguren imitieren, nach und nach heterophon.
Der dritte Satz
Round Dance ist eine mosaikartige Rekonstruktion nicht nur der vorherigen Sätze, sondern auch der Geschichte des Genre.
— Donghoon Shin
Photos: Marco Loumiet; Marco-Borggreve