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Dai Fujikuras Oper A Dream of Armageddon uraufgeführt

Dai Fujikuras Oper A Dream of Armageddon uraufgeführt

“Als ich die Oper komponierte, hätte ich nie erwartet, in welcher Situation wir uns heute befinden würden. Es ist ein perfektes Timing: Wells Fiktion ist Realität geworden.”— Dai Fujikura

Am 15. November 2020 kam Dai Fujikuras dritte Oper A Dream of Armageddon am New National Theatre Toyko zur Uraufführung. Die Produktion vereinte ein internationales Team um Librettist Harry Ross, Regisseurin Lydia Steier und Dirigent Kazushi Ono, die das Werk unter außergewöhnlichen Umständen auf die große Bühne brachten. In den Hauptrollen waren in den vier Vorstellungen der Tenor Peter Tantsits, Bassbariton Seth Carico und die Sopranistin Jessica Aszodi zu erleben.

Die Probenzeit verlief unter den Bedingungen des Social Distancing – teilweise virtuell und Kontinente voneinander entfernt. Für den Komponisten ist das kein Problem, wie er im Interview mit der Japan Times verrät: „Actually, I’ve been collaborating with people via Skype for over 15 years.“

Nachdem seine ersten Opern Solaris und The Gold-Bug beide auf namhaften Werken der Literatur basieren, suchte sich der Komponist für seine dritte Oper eine eher unbekannte Handlung aus. Die gleichnamige Kurzgeschichte des Autors H.G. Wells habe Fujikura ermöglicht, der eigenen „Imagination Spielraum in der Gestaltung zu lassen“, so der Komponist. Zusammen mit seinem Freund und Librettisten Harry Ross erschuf er nach langjähriger Kollaboration erstmals eine gemeinsame Oper und mit ihr ein Werk, dessen Inhalt auch heute noch von Bedeutung ist:
“The inescapable sense of uncertainty and fatal cost of inaction that Wells describes in his short story is clearly as relevant now as it was in 1901.” (Japan Times)

A Dream of Armageddon (2020)

Oper in neun Szenen, Libretto von Harry Ross
(nach der Kurzgeschichte "A Dream of Armageddon" von H.G. Wells)
2T.Bbar.S.Ms.Boy Soprano.Chr -
1.2.2.2 - 2.2.2.0 - timp.perc - cel - str
Uraufführung: Tokyo, 14. November 2020
Dauer: 90'




Über das Werk

Die 1901 veröffentlichte Geschichte beschreibt eine Dystopie mit Totalitarismus, Krieg und Massenvernichtungswaffen, wie sie im Laufe der menschlichen Historie Realität werden sollte. Für die Rolle des Diktators „Johnson Evesham“ studierten Ross und Fujikura, für den die musikalische Auseinandersetzung mit Politik eine neue Erfahrung darstellte, Reden von Diktatoren auf Youtube. Die Namensgebung des Charakters – ein Zufall, sagt Dai im Interview mit der NNTT. Neu und modern interpretierten und schrieben sie die Rolle von Bella um. Da ihnen die Charakterisierung als passives „dream girl“ nicht zeitgemäß erschien, gaben sie ihr eine politisch aktive, starke Hauptrolle. Mit ihrem Werk setzen sie politische Statements: „Diese Oper ist nicht von dieser Welt, da sie ein Traum ist und gleichzeitig doch so relevant für unsere heutige Zeit. Sie ist wie ein Spiegel.“ (Dai Fujikura)



Werktext

Als Kazushi Ono mich wie aus dem Nichts per Email kontaktierte, um meine dritte Oper für großen Chor und Symphonieorchester in Auftrag zu geben, schwebte ihm eine Geschichte von aktueller Relevanz vor. H.G. Wells Kurzgeschichte schien mir das perfekte Material für dieses Werk. Die lange vor dem ersten und zweiten Weltkrieg publizierte Geschichte handelt vom Krieg in einer totalitären Welt, der in einer Konversation zwischen zwei Fremden auf einer Zugfahrt beschrieben wird.

 

Ich war sofort gefesselt von der Geschichte, da mein Librettist und ich schon seit mehr als 20 Jahren eine Oper schreiben wollten, die mit einer Szene in einem Pendlerzug beginnt! Wir hatten diese Oper jedoch nie realisiert, nicht nur, weil wir damals Anfang zwanzig waren und keine Möglichkeit hatten, einen Auftrag dafür zu bekommen, sondern auch, weil wir uns nicht entscheiden konnten, was nach der anfänglichen Konversation im Zug passieren sollte. Nun habe ich den Auftrag UND die Kurzgeschichte, die mit besagter Konversation beginnt und sich dann zur Geschichte eines seltsam vorausahnenden Traums entwickelt.

Dai Fujikura's A Dream of Armagedddon - World Premiere in Tokyo
Uraufführung in Toyko

In diesem Projekt arbeitete ich mit Regisseurin Lydia Steier und Librettist Harry Ross zusammen, mit dem ich bereits seit über zwei Jahrzehnten gemeinsam Gesangsstücke schreibe. Wir alle haben jahrelang nach einem gemeinsamen Projekt gesucht, da ich das Gefühl hatte, ihre Vision würde meiner Musik Flügel verleihen. In dem Werk verwandelt sich der Chor von einem Zug voller Pendler in eine blutrünstige Armee. Er prophezeit eine Zukunft, die uns alle erwarten könnte...

Die dramatische Handlung spielt mit der Traumwelt. Man weiß nie, was Fakt oder Fiktion ist. Es gibt dort eine Art futuristischen Korridor, der laut H.G. Wells unbeschreiblich ist und sich in einem Tanzsaal mit ebenso futuristischer Musik bewegt. Bevölkert wird diese dystopische Welt von dynamischen Charakteren, deren emotionale und politische Ansichten in der lyrischen Handlung durch den Gesang zum Ausdruck gebracht werden.
Es musste eine Oper werden, es musste ein Traum werden! Einer, von dem wir aufwachen werden, wie ich hoffe.
— Dai Fujikura


Pressestimmen


"Geleitet durch den Taktstock des Dirigenten Kazushi Ono erscheint ein Chor aus 48 Sängern auf der Bühne, die gekleidet in weiße Masken und Ganzkörperanzüge wie unheimliche Phantome wirken. Statt der Ouvertüre, mit der das Orchester üblicherweise eine Oper eröffnet, ertönen kräftige, menschliche Stimmen. Ohne jegliche Instrumentalbegleitung wiederholen sie in diskontinuierlicher Melodie das Wort "Armageddon" und ziehen das Publikum so in eine Geschichte über dunkle Vorahnung von Angst und Unsicherheit in Krisenzeiten hinein."
The Japan Times

"Fujikuras Fertigkeit liegt in der Zeichnung des Prozesses! Die langsame und repetitive Musik des träumerischen Gefühls wird nach und nach verzerrt und ehe man sich versieht, haben die imposante musikalische Vertonung und arglistige Rede des Diktators (Seth Carico), die enthusiastische Darbietung des New National Theater Chors, die Jubel des manipulierten Volkes und der Krieg das Theater in Schrecken eingehüllt… Albträume, die die Realität schlucken."
Asahi


Partitur zu A Dream of Armageddon










Photos: Masahiko Terashi / New National Theatre Tokyo