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Bernhard Lang: Hiob & The Travel Agency is on Fire

Bernhard Lang: Hiob & The Travel Agency is on Fire

Alle Werke von Bernhard Lang haben einen gesellschaftspolitischen Bezug, ganz gleich, ob ein Instrumentalwerk oder Musiktheater, und ganz gleich, ob der zugrunde liegende Text auf einer literarischen Vorlage basiert oder original dafür entstanden ist. Der Blick weitet sich dabei vom Konkreten ins Allgemeine, von der Vergangenheit in die Gegenwart. Zwei Uraufführungen aus dem Januar und Februar belegen das auf ihre Art: Die Oper Hiob nach dem gleichnamigen Roman von Joseph Roth, Auftragswerk des Stadttheaters Klagenfurt, sowie The Travel Agency is on Fire nach einem Text von William S. Burroughs für Stimme, Ensemble, Elektronik und Video, ein Kompositionsauftrag von soyuz21 – contemporary music ensemble zürich.



Hiob

Nach einigen Verschiebungen, auch infolge diverser Corona-Lockdowns, war es endlich soweit: Als Auftragswerk des Stadttheaters Klagenfurt und gefördert durch die Ernst von Siemens-Musikstiftung feierte Bernhard Langs neue Oper HIOB am 9. Februar 2023 nun ihre Uraufführung.

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Uraufführung von Hiob

Über Hiob

Hiob wird mein dreizehntes Musiktheaterstück sein [und] stellt meine dritte Kooperation mit dem Regisseur und Librettisten Michael Sturminger dar, mit dem ich zuvor I Hate Mozart und Der Reigen zur Aufführung gebracht hatte. Der Stoff ist die Hiob-Erzählung, basierend auf Joseph Roths gleichnamigen Roman […]. Das Endzeitliche, Terminale und Abgründige an Roths Werk einerseits, die Vision einer Transzendierung des Unabwendbaren in Hiob andererseits war es, die uns zu einer Umsetzung dieses Werkes inspiriert hatte. […] Das Stück zitiert wiederholt klassische Opernliteratur und russische Volkslieder. Eine wesentliche Rolle spielen im Stück die Transkriptionen ethnischer Musik, in diesem Fall von rumänischer und bulgarischer Klezmer-Musik aus den Zwanzigerjahren.
—Bernhard Lang

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Uraufführung von Hiob

Inhalt

In Joseph Roths 1930 erschienenem Roman, der den biblischen Stoff ins 20. Jahrhundert übersetzt, heißt Hiob Mendel Singer und ist ein streng religiöser Jude, der mit seiner Frau und vier Kindern im fiktiven Schtetl Zuchnow in Russland lebt. Als sein Erstgeborener Schemarjah nach Amerika auswandert und zu Geld kommt, holt dieser seine Eltern und die Schwester Mirjam nach, doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert für die Familie die Erfüllung des »American Dream«. Schemarjah fällt als amerikanischer Soldat, der für die russische Armee kämpfende Jonas wird vermisst, Mendels Frau Deborah stirbt darüber an Verzweiflung, Mirjam erkrankt an einer Psychose. Mendels Liebe und Hoffnung ruhen auf seinem jüngsten Sohn Menuchim, den er aufgrund seiner geistigen Behinderung in der alten Heimat zurückgelassen hat.

Die Jahrtausende alte Geschichte des gottesfürchtigen Hiob, der trotz vernichtender Schicksalsschläge seinen Glauben nicht verliert und am Ende für seine Standfestigkeit belohnt wird, berührt die Grundfragen unserer Existenz. Wie wechselhaft ist unser Lebensglück? Wie viele Pfeile und Schleudern des wütenden Geschicks vermag der Mensch zu erdulden? Was braucht er, um sich wieder aufzurichten? Und wie viel Kraft gibt dabei die Religion?
Text: Stadttheater Klagenfurt
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Uraufführung von Hiob

Pressezitate

"Eines vorweg: das Stück könnte ein Renner werden! Neue Musik, die trotz einiger komplexer Einfälle (um nicht von Fallen zu reden) auch ein breiteres Publikum mühelos erreicht, eine irrsinnig starke Geschichte, dazu eine Besetzung, welche auch kleinere und mittlere Häuser mit einiger Anstrengung durchaus hinbekommen. Am Stadttheater Klagenfurt jedenfalls wurde "Hiob" zum Riesenerfolg, stehende Ovationen für einen packenden Neunzigminüter, der die alttestamentarische Handlung um den von Gott herausgeforderten Hiob zeitlos in die Gegenwart holt. […] Tim Anderson agiert am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters mit Verve und Kraft, bringt Bernhard Langs mit Synthesizer (Adam Rogala) und Vierteltonexperimenten erweiterte Orchesterklänge zum Leuchten. Langs einschlägiges Stilmittel, Loops (Wiederholungsschleifen), kommen diesmal nur an Kernstellen zum Einsatz, immer passend, immer genau auf den Punkt beziehungsweise die Phrase. In der Amerika-Episode perlt herrlicher Jazz aus dem Graben, dann wieder folgen melancholische Choräle oder manisches Zagen und Reflektieren – und viel Klezmer!"
BR Klassik, 09.02.2023

"Den österreichischen Komponisten Bernhard Lang faszinierte dieser von Joseph Roth in unvergleichlich poetischer Sprache erzählte Roman schon seit Langem. Zumal Roth in „Hiob“ paradigmatisch die Schicksale vieler – auch heute – auf der Flucht befindlicher Menschen schildert. Die bereits zur Entstehungszeit der Oper (2017/18) voll im Gang befindlichen Fluchtbewegungen gewannen durch den Ukrainekrieg eine noch größere Intensität und der Stoff mithin eine noch brennendere Aktualität. […] Gemeinsam mit dem Librettisten Michael Sturminger, der auch Regie führte […], konzipierte Lang eine Oper, die ganz anders tönt als seine bisherigen Bühnenwerke und dennoch materiale Errungenschaften der früheren Stücke auf subtile Weise integriert. […] Dem Klagenfurter Stadttheater [gelang] eine beachtliche Aufführung und Bernhard Lang der Beweis, dass neue Musik sich auch melodische Elemente erlauben kann, ohne banal zu werden."
FAZ, 11.02.2023

"Michael Sturminger hat aus dem Sprechtheatertext ein Opernlibretto destilliert, das der renommierte, vielfach ausgezeichnete österreichische Komponist Bernhard Lang vertont hat – mit Zitaten aus Volksmusik und Opernliteratur, mit Klezmer-Einlagen im europäischen ersten und mit der Beiziehung eines Jazz-Trios im USA-geprägten zweiten Akt des Werks. Auf seine geschätzten Repetitionen kann und will der hochgelehrte Komponist nicht verzichten, so beharren nicht nur Familienvater Mendel Singer (Alexander Kaimbacher), sondern auch seine Frau Deborah (Katerina Hebelkova) und ihre Kinder phasenweise auf Textstellen, dass es dem Hochbarock eine Freude gewesen wäre. Aber die Klangreise, die man da antritt, vom leisen Trommelrühren des Beginns über die ohrenbetäubenden Tutti-Cluster, die der unheimlichen Folge von Schicksalsschlägen Ausdruck geben, bis zur finalen a cappella-Klage des gebeutelten Helden, gräbt sich ins Herz. Gerade in der Kombination seiner ganz zeitgenössischen Tonsprache mit traditionellen, melodischen Elementen trifft Lang einen Nerv des heutigen Publikums, wie die Begeisterung am Ende der Klagenfurter Premiere bewies. Die bittere Aktualität, die dem Migrantendrama innewohnt, trägt das Ihre zum Erfolg bei."
Der Standard, 12.02.2023

 

The Travel Agency is on Fire

Über The Travel Agency is on Fire

The Travel Agency is on Fire basiert auf einer Auswahl von „Cut-up“-Experimenten von William S. Burroughs zu Texten einer Reihe kanonischer Schriftsteller, von William Shakespeare und Arthur Rimbaud bis hin zu William Wordsworth und James Joyce. Burroughs wählte die Quellentexte aus, zerschnitt sie und stellte die Fragmente nebeneinander, um zufällige Wortkombinationen auszuwählen und neue Wort-Kompositionen zu schaffen. The Travel Agency is on Fire, das erst seit 2010 in den Archiven verfügbar ist, fasziniert Wissenschaftler und Burroughs-Fans gleichermaßen, da es die experimentellen Prozesse beleuchtet, die Burroughs‘ Werk zugrunde liegen.
—Bernhard Lang

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picture of Bernhard Lang's The Travel Agency is on Fire by soyuz21

Uraufführung von The Travel Agency is on Fire



Fotos: Hans-Peter Hauser (Hiob), Hochschule für Musik Basel/FHNW (The Travel Agency is on Fire)