Vor einem Jahr haben wir die Gewinner unseres Kompositionswettbewerbs RicordiLab bekanntgegeben – Zeit nachzufragen, was sich bei Sarah Nemtsov, Shiori Usui und Steffen Wick seitdem verändert hat und was ihre Pläne für die Zukunft sind.
Sarah Nemtsov
Sarah Nemtsov: Komponistenprofil
Was hat sich verändert, seit Du Teil des RicordiLab-Programms bist?
Zunächst bedeutete es eine Anerkennung meiner bisherigen Arbeit. Und ein Zuspruch dieser Art ist schon an sich Ansporn, das war für mich ganz besonders vor einem Jahr wichtig, im Herbst 2016, als ich unter Hochdruck an meiner Oper Sacrifice für die Oper Halle schrieb. Seither erhalte ich vielfältige Unterstützung von Ricordi: künstlerisch, organisatorisch, menschlich. Das bedeutet unter anderem: Unterstützung bei Aufführungsmöglichkeiten und Aufträgen, Materialherstellung und -Zustellung, Kommunikation mit Veranstaltern, Marketing (eine neu gestaltete Website z.B.), Fragen zu Verträgen und Rechte-Klärung. Gerade die administrativen Seiten des Komponistendaseins empfinde ich oft als belastend, von daher ist die Hilfe Ricordis eine große Entlastung. Das heißt wiederum, dass ich mehr Raum zum Komponieren habe. Nebenbei: Es ist auch sehr schön, jemanden vom Verlag bei einer Uraufführung zu wissen, als eine Art moralischer Beistand.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Am 22. September 2017 wurde mein neues Orchesterstück dropped.drowned (2017) vom Philharmonischen Orchester Cottbus unter Leitung von Evan Christ uraufgeführt. Das Stück war als Auftrag des Staatstheater Cottbus in Kooperation mit RicordiLab entstanden. Ich habe in diesem Stück für mich Neues im Orchester entdeckt und hoffe, bestimmte Ideen in einem zukünftigen, noch längeren Werk weiter zu entwickeln. Im nächsten Jahr steht aber erstmal viel Kammermusik an (gerade jetzt komponiere ich ein Werk für das Ensemble Adapter, UA beim Transit Festval in Leuven, Belgien im Oktober). Das ist auch ganz schön, nachdem ich zuletzt so viel Großformatiges geschrieben habe. Irgendwann kann ich mir auch wieder eine weitere Oper vorstellen, das Genre Musiktheater (im weitesten Sinne) scheint mir paradox und unerschöpflich.
Wer ist Dein Ricordi-Lieblingskomponist?
Varèse. Als ich noch Oboe in Hannover studierte, spielte ich Intégrales. Eine unglaubliche Erfahrung, ich setzte mich dann mehr mit seinem Werk auseinander – diese Kompromisslosigkeit! Nono. Mein Kompositionslehrer in Hannover, Johannes Schöllhorn, gab mir zu Beginn des Studiums (etwa 2001) als (unmögliche) Aufgabe, Nonos Fragmente - Stille, an Diotima zu analysieren. Der (natürlich gescheiterte) Versuch veränderte mein kompositorisches Denken maßgeblich. Aber auch lebende Komponisten: immer wieder beeindruckt und inspiriert bin ich von Olga Neuwirth, Samir Odeh-Tamimi oder Enno Poppe. Und es ehrt mich, mit ihnen zusammen im Ricordi-Verlag zu sein!
Shiori Usui
Shiori Usui: Komponistenprofil
Was hat sich verändert, seit Du Teil des RicordiLab-Programms bist?Ich lebe in Schottland, und seit ich bei dem Programm RicordiLab dabei bin, finde ich es ganz wundervoll, dass meine Werke nun auch bei Organisationen und Musikern in Kontinentaleuropa beworben werden. Im Sommer habe ich das Team von Ricordi Berlin kennengelernt, die Mitarbeiter sind sehr freundlich und haben mich sehr liebenswürdig empfangen. Zudem haben sie mich in Hinblick auf das Bewerben meiner eigenen Musik professionell beraten.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Am 7. Dezember 2017 wird in Boston meine Komposition In Digestion von einer Gruppe fantastischer Musiker namens A Far Cry aufgeführt. Dieses Werk für Streichorchester basiert auf meiner Auseinandersetzung mit menschlichen Verdauungsgeräuschen. Des Weiteren wir mein ebenfalls bei Ricordi verlegtes Ensemblewerk Deep, das von den Klängen der Tiefsee inspiriert ist, am 3. März 2018 vom Collegium Novum in Zürich gespielt. Außerdem stehen nächstes Jahr zwei Uraufführungen an: die erste findet am 4. Mai 2018 am Staatstheater Cottbus statt, es handelt sich um ein Werk für Orchester und Solo-Klarinette. Am 28. Juni 2018 wird in Kettles Yard Art Gallery in Cambridge ein neues Klavierstück uraufgeführt.
Wer ist Dein Ricordi-Lieblingskomponist?
Ich habe so viele Ricordi-Lieblingskomponisten, dass es mir schwerfällt, einen einzigen hervorzuheben. Ganz besonders schätze ich jedenfalls Sciarrino, dessen Klangwelten ganz neue Erfahrungen für das Auge und den Geist ermöglichen.
Steffen Wick
Steffen Wick: Komponistenprofil
Was hat sich verändert, seit Du Teil des RicordiLab-Programms bist?
Für mich bedeutet es vor allem gut betreut zu sein in all den verschiedenen Bereichen, die für einen Komponisten wichtig sind – gerade auch in dem, was über das reine Komponieren hinausgeht. Damit meine ich zum Beispiel das Vermitteln von Kontakten oder die Beratung bei der Entwicklung von Projekten. Dies alles steigert bei mir die Motivation und pusht mich, auch meinerseits das Beste zu liefern: in meiner Musik und in der Kommunikation mit der Außenwelt.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Aktuell bereite ich mein Orchesterwerk Tectonic Plates vor, dann steht ein Streichquartett für das Henschel Quartett an. Außerdem ist ein Kinderkonzert über das Leben des französischen Filmpioniers Georges Méliès in Planung.
Wer ist Dein Ricordi-Lieblingskomponist?
Da fallen mir gleich eine ganze Reihe von Namen ein. Aus historischer Sicht komme ich um die Nennung von Puccini nicht herum. Von unseren zeitgenössischen Kollegen schätze ich Heiner Goebbels sehr, wie bereits in meinem Artikel zu der Reihe Komponisten über Komponisten zu lesen war.