No results

Goebbels, Heiner

(Aug 17, 1952 - Neustadt, Weinstraße)

Aufgewachsen von 1955 bis zum Abitur 1971 in Landau/Pfalz
1972 Wechsel nach Frankfurt/Main
Soziologie-Diplom 1975, Staatsexamen in Musik 1978
Lebt als freischaffender Komponist (Orchester- und Kammermusik, Musiktheater, Hörstücke, Theater-, Film-, Ballettmusik), Regisseur und Theatermacher mit Barbara Rendtorff und den gemeinsamen Kindern Jakob und Rosa in Frankfurt/Main
1976 Mitbegründer des "Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters" (bis 1981) und des Duos Heiner Goebbels / Alfred Harth (bis 1988)
1978-80 musikalischer Leiter am Schauspiel Frankfurt (Ära Palitzsch)
1982 Gründung der experimentellen Rock-Gruppe "Cassiber". Komponist und Regisseur eigener Musiktheater- und Hörstücke (oft nach Texten von Heiner Müller) sowie szenischer Konzerte; mehrere Konzertprojekte mit Musikern der internationalen Improvisationsszene; deutsche Schallplattenpreise 1981 und 1984
1988 Goldene Ehrennadel der deutschen Schallplattenkritik
1984, 1990 und 1992 Karl-Sczuka-Hörspielpreis des SWF Baden-Baden
1985 Hörspielpreis der Kriegsblinden
1986, 1992 und 1996 Prix Italia
1989 Berliner Hörspielpreis der Publikumsjury
1991 Prix Futura
1993 Hessischer Kulturpreis
1996 Radio Ostankino-Preis (Moskau)
1997/98 Gastprofessur in der Kompositionsklasse der Hochschule Karlsruhe
1999 Professur für Angewandte Theaterwissenschaft an der Universität Giessen
2001/2004 Grammy Nomination für "Surrogate Cities" / "Eislermaterial"
2001 Europäischer Theaterpreis "Neue Theaterrealitäten"
2002 Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt
2003 Deutscher Kritikerpreis, Sparte "Musik"
2007/2008 Fellowship am Wissenschaftskolleg Berlin
2008 Binding Kulturpreis

Heiner Goebbels ist Mitglied der Akademie der Künste, Berlin, und der Akademie der Darstellenden Künste, Frankfurt. Seit 2006 ist er Präsident der Theaterakademie Hessen.

Heiner Goebbels

Ein Porträt von Bernd Leukert

Unter den Komponisten zeitgenössischer Musik ist Heiner Goebbels eine singuläre Figur. Nach frühen rockmusikalischen Erfahrungen prägt die Studentenbewegung seinen künstlerischen Werdegang. In seiner soziologischen Diplomarbeit ("Zur Frage der Fortschrittlichkeit musikalischen Materials. Über den gesellschaftlichen Zusammenhang kompositorischer Maßnahmen in der Vorklassik und bei Hanns Eisler") findet er zu dem kategorischen Imperativ, der bis heute für ihn gilt: Komponiere stets so, daß du mit deiner Musik den Hörer nicht entmündigst. Musik reflektiert gesellschaftliche Realität, ihr Standort und ihre Haltung müssen immer neu bestimmt werden. Dazu verwendet Goebbels die unterschiedlichsten Gattungen und Besetzungen; die Spannweite reicht von Theater-, Film und Ballettmusik bis zu Hörspielen und experimentellem Musiktheater.

Heiner Goebbels komponiert – nie ohne außermusikalischen Anlass – in enger Zusammenarbeit mit Autoren und Musikern, deren instrumentale Ausdruckskraft er nutzt. Seine Musik zielt immer unter die Oberfläche seiner Sujets und läßt sie mit anderen, entfernten Bedeutungsebenen in Spannung treten. Montage und Collage mit einkomponierten Freiräumen: Die Komposition setzt sich, nicht mehr beschreibbar, im Kopf des Hörers neu zusammen. Bei der Arbeit mit Texten (vor allem Heiner Müllers) erschließt er die Subtexte, die sich über die Tektonik und den Sprachrhythmus vermitteln. Häufig verwendet er populärmusikalische Verlaufsmuster, die er mit avantgardistischen Methoden funktionalisiert und radikal mit der 1982 gegründeten experimentellen Rock-Gruppe "Cassiber" ausformt. Obgleich ungewöhnlich produktiv, entgeht er, mit jedem Schritt anspruchsvoll-innovativ, einem Personalstil. Sein Gespür für attraktive und brisante Wirkungen sichert ihm seinen außerordentlichen Publikumserfolg.