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Platz, Robert HP

Robert HP Platz, geboren 1951 in Baden-Baden, studierte in Freiburg/Breisgau Musiktheorie, Klavier und Dirigieren sowie Komposition bei Wolfgang Fortner, Musikwissenschaft bei Elmar Budde und eine Zeit lang Parapsychologie bei Hans Bender. Anschließend wechselte er nach Köln, um bei Karlheinz Stockhausen zu studieren und schloss 1977 eine Dirigentenausbildung bei Francis Travis in Freiburg ab. Robert HP Platz lebt und arbeitet in Köln.

Platz’ Kompositionen seit 1989 sind Teile eines tagebuchartig in assoziativen Sprüngen sich fortsetzenden Gesamtwerks, in dem die einzelnen Werke zwar für sich stehen, strukturell aber eng vernetzt sind und auch zum Teil gleichzeitig aufgeführt werden können. Für diese „Formpolyphonie“ sind die Ausführenden so im Raum verteilt, dass sich die einzelnen Werke polyphon durchdringen und überwölben.

Robert HP Platz erhielt Kompositionsaufträge vom SWR, WDR, dem Saarländischen Rundfunk, dem Sinfonieorchester Aachen, Staatstheater Cottbus, Klangforum Wien, dem E-Mex-Ensemble, Arditti Quartet, Ensemble Alternance und vielen anderen, sowie von Festivals wie den Donaueschinger Musiktagen, ECLAT, Wien Modern, dem Beethovenfest Bonn, oder ACHT BRÜCKEN.

1978 und 1979 erhielt Platz ein Stipendium der Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestfunks und lebte danach längere Zeit in den USA und Paris, wo er am IRCAM arbeitete. 1989/90 lebte Platz im Künstlerhof Schreyahn, 1990 in der Villa Serbelloni als Composer in Residence auf Einladung der Rockefeller Stiftung. Zwei Jahre später folgte ein längerer und prägender Japanaufenthalt.

Von 1980-2001 leitete Platz das Ensemble Köln und erteilte Kompositionsaufträge an viele namhafte Kollegen. Als Gastdirigent arbeitete Platz mit Ensembles und Orchestern wie dem Ensemble Modern, dem Klangforum Wien, Ensemble Musikfabrik, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, den Orchestern des SWR, SR, NDR, dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg, den Bamberger Symphonikern und der Bayerischen Staatsoper sowie auf internationalen Festivals in Salzburg, Helsinki, Donaueschingen, Straßburg. Zahlreiche CDs dokumentieren die dirigentische Arbeit von Robert HP Platz. Seine Portrait-CD zu Mauro Lanza mit dem Ensemble Alternance wurde durch die Académie Charles Cros ausgezeichnet, seine erste Hosokawa-CD bei NEOS erhielt den Clef d'Or als "Beste CD des Jahres 2009“.

Vortrags- und Lehrtätigkeiten führen Robert HP Platz in viele europäische Länder sowie die USA, Mexico, Israel, Indonesien, Südkorea und Japan; mehrfach war er Dozent bei den Darmstädter Ferienkursen. Von 2000 bis 2007 war Platz künstlerischer Leiter des Festivals Schreyahner Herbst. Im Pfau-Verlag erschienen die Textbände „TOP: Skizzentagebuch“ und „…weil die Welt und wir mit ihr so sind“ (Texte zur Musik 1972–2014). 2013 erschien im Bärenreiter-Verlag „Technik des Violinspiels“ (mit Irvine Arditti). Für 2021 ist eine Publikationüber Robert HP Platz in Arbeit (Pfau-Verlag, Hrsg.: Gordon Kampe). Seit 2016 wird von der Klaviermanufaktur Steingraeber nach den Vorgaben des Komponisten der erste Midi-Flügel mit fest verbauten Transducern gebaut.

Seit 2005 ist PlatzMitglied des Bureau du Directeur des Elektronischen Studios Henri Pousseur, Liège und seit Oktober 2013 Professor für Komposition und Ensembleleitung Neue Musik an der Musikhochschule Würzburg.

Zurzeit arbeitet Platz an dem Ensemblezyklus 6 Welten: Container, der 2022 in der Kölner Philharmonie uraufgeführt wird, sowie an dem (Kammer-)Musiktheater Anderswo und einem Werk für Violine solo und Kammerorchester

(Stand: Januar 2021)

Robert HP Platz

Ein Porträt von Max Nyffeler

Die Idee eines prozesshaft sich entwickelnden Werks zeigt sich im Keim schon in den frühen Stücken von Robert HP Platz. Im Laufe seines nunmehr über ein Vierteljahrhundert sich erstreckenden Schaffens gewinnt sie nach und nach an Konturen, bis sie schließlich in der Komposition Grenzgänge Steine für Sopran, 2 Klaviere und Orchester (1989-93) klar zu Tage tritt. Es geht dabei nicht um ein work in progress im Sinn eines tendenziell unabgeschlossenen Einzelwerks, auch nicht einfach um zyklische Reihung. Die Konzeption ist anders und unverwechselbar. Robert HP Platz betrachtet heute sein ganzes Werk als eine kontinuierlich sich entfaltende Großarchitektur, in der die Einzelwerke sich zu losen Werkkomplexen gruppieren. Als Bindeglieder zwischen ihnen fungieren Motivik, Instrumentation oder die werkübergreifende Organisation von tonalen Zentren und Strukturtypen. Das geschieht aber nicht in quasi-serieller Weise durch Vorausplanung aller Strukturdaten. An die Stelle der strategischen Kalkulation tritt bei Platz die mehr intuitive Auffassung eines organischen Wachstums, dessen Entwicklungsgesetze sich aus dem Prozess selbst ergeben. Die Entwicklung verläuft nicht zielgerichtet, sondern bildet einen kontinuierlichen musikalischen Fluss, der sich in allerlei Windungen und Verästelungen seiner unbekannten Bestimmung entgegentastet.

Innerhalb solcher Konstellationen können einzelne Werke sich überlappen oder ineinander verkeilen, was auch teilsimultane Aufführungen ermöglicht, oder sie bilden lose, um Gravitationszentren gruppierte Konglomerate oder Übergangsformationen. So ist eine Metakomposition von enormen Dimensionen im Entstehen begriffen; sie hat indes mehr konzeptionelle Bedeutung, als dass sie auf eine auf tatsächliche Realisation hin – zumindest nicht in ihrer Gesamtheit – ausgerichtet wäre. Was die Struktur dieses Großverlaufs, das Nach- und Ineinander der individuellen Werke, angeht, so spricht Robert HP Platz von einer “Formpolyphonie”. Einen Ausschnitt daraus konnte man 1996 bei den Donaueschinger Musiktagen hören: In einer einzigen Aufführung erklangen, teilweise ineinander verschachtelt, die Kompositionen Andere Räume (Tonband, Schlagzeug), Turm und Weiter (Orchester), nerv II (Violine, Klavier, Bläser) und Echo II (Violine, Klavier, Bläser, Schlagzeug).

Während die Großarchitektur eher intuitiven Gesetzmäßigkeiten folgt, bleibt das Einzelwerk stets bis ins Detail durchgearbeitet – ein Nachhall des seriellen Denkens, mit dem sich Platz gründlich auseinandergesetzt hat. Doch auch hier hat die spontane künstlerische Entscheidung Vorrang vor abstrakten Festlegungen.

Hintergrund dieses neuartigen Versuchs einer Synthese von Makro- und Mikrostruktur ist das Streben nach dem “integralen” Kunstwerk, das sich als Summe aller künstlerischen Erfahrungen versteht und die Welt, wie sie dem kompositorischen Subjekt erscheint, möglichst umfassend abbilden soll. Ein erster Versuch, diese Problematik zu bewältigen, war das exuberante Großprojekt Schwelle (1973-78), das programmatisch am Anfang von Platz’ kompositorischem Werdegang steht. Von ihm wurden jedoch nur die Teile I und III (München 1979, Köln 1981) realisiert; eine Gesamtaufführung aller sechs Teile scheiterte an den organisatorischen Bedingungen. Diese Erfahrung bewog später den Komponisten, Integralität nicht mehr im Einzelwerk zu erzwingen, sondern innerhalb von Werkkonstellationen – letztlich: im Lebenswerk – anzustreben.

Robert Platz hat bisher für alle Gattungen komponiert, oft in Verbindung mit Tonband: Musiktheater, Orchesterwerke, Ensemblemusik, Kammermusik und Solostücke. Aber auch Musik für Kinder, witzig und nie banal, steht in seinem Werkverzeichnis. Das Spektrum seiner künstlerischen Interessen ist breit. Den wichtigsten Platz neben dem Komponieren nimmt das Dirigieren ein, das er zuerst als Leiter des 1979 von ihm gegründeten Ensemble Köln, heute zunehmend auch als Gastdirigent bei internationalen Orchestern und Ensembles betreibt. Die Freundschaft mit bildenden Künstlern und Schriftstellern, eine bis in die Kinderzeit zurückreichende Affinität zu Frankreich und, seit 1992, die Beschäftigung mit der japanischen Kultur sind weitere Inspirationsquellen für sein facettenreiches musikalisches Weltbild.